Lost in Marrakesch

Alice_Marie_Rhoda

von Alice_Marie_Rhoda

Story

Ich wache aus einem traumlosen Schlaf auf. Im Zimmer riecht es fremd, anders als zu Hause. Durch die Fensterläden dringt gedämpftes Licht in den Raum. Meine Gedanken werden klarer und erinnern mich daran, wo ich bin. Gestern Abend sind wir mit dem Flugzeug in Marrakesch angekommen und haben dieses kleine Riad, mitten in der Medina, als Unterkunft bezogen.

Das Fenster des Zimmers zeigt in den Innenhof des Hauses, wo ein paar Tischgruppen, ein Schwimmbassin und viele grüne, hohe Topfpflanzen sind, die diesen süßlichen Geruch verströmen, den ich rieche.

Nachdem wir ausgiebig auf der geschmackvoll ausgebauten Dachterrasse gefrühstückt haben, beschließen wir, den „Secret Garden“ zu suchen, der in einem der Reiseführer als etwas Besonderes beschrieben wird, und der in unserem Stadtteil zu finden sein soll. Unbeschwert lassen wir uns durch die Gassen treiben, einem Duft, einer Musik, dem Gefühl folgend, und stehen am Ende vor einer hohen Mauer mit einem kleinen Eingang, hinter dem sich die Gartenanlage versteckt. Im Garten ist es angenehm kühl. Der Lärm der Gasse ist ausgesperrt. Gepflasterte Wege schlängeln sich durch die mit Blumen und Gräsern bepflanzten Beete, bis zu dem Haus am Ende der Anlage, das wie ein französischer Pavillon gebaut ist, mit hohen offenen Glastüren, in denen lange, weiße Vorhänge wehen. Wasser speiende Brunnen kühlen die Luft. Ich fühle mich in eine vergangene Epoche versetzt.

Nachdem wir uns an allem sattgesehen haben, ist es an der Zeit zurückzugehen. Eine Stunde später müssen wir uns, müde und erschöpft, eingestehen, dass wir uns verlaufen haben. Gassen, die am Stadtplan eingezeichnet sind, enden unmittelbar vor hohen Hausmauern. Lange haben wir keine Straßennamen und Schilder mehr an den Hausecken gesehen. Ich erkenne zwischen diesen Mauern die Himmelsrichtungen nicht.

Da sind zwei junge Einheimische, die uns schon eine Weile abschätzend beobachten. Wir sprechen sie letztendlich an. Mit ein paar Wörtern aus Englisch und Französisch, Händen und Füßen, bitten wir sie, uns den Weg aus diesem Labyrinth zu zeigen. Darauf haben sie gewartet. Der Ältere meint, dass er uns für 20 Euro zurück zur Hauptstraße bringt. Er führt uns kreuz und quer durch die Medina und ich befürchte schon, dass wir nie zurückfinden werden, als sich am Ende der Gasse ein bekannter Platz, nahe der Unterkunft, auftut. Erleichtert atmen wir auf. Ab hier finden wir allein weiter. Unser Helfer verlangt jetzt mehr Geld als ausgemacht, aber wir gehen nicht darauf ein. Den Streit, den er anfängt, beendet ein dazukommender Marokkaner, der ihn zu kennen scheint. Endlich zurück in unserem Riad beschließen wir, für weitere Besichtigungen ein Taxi zu nehmen.

© Alice_Marie_Rhoda 2020-10-05

Hashtags