Googelt man Vater Haarewaschen akzeptiert Homosexualität braucht Zeit wie viel Zeit, kommt aber auch wirklich gar nichts Brauchbares, das habe ich mehrmals getestet. Papas frisch schamponierte Akzeptanzbekundung hatte Bereitschaft für weitere Schritte vermittelt, aber seither war wieder über ein Jahr vergangen, insgesamt schon sieben seit meinem Outing. Ich wollte ja nicht ungeduldig sein oder ihn drängen, aber gleichzeitig wusste ich nicht mehr, wie lang mein Leben noch in ein sonst passte. In unseren mittlerweile fast regelmäßigen Telefonaten sprachen wir über die Arbeit – seine am Boot, meine an der Uni – und in erstaunlichem Detail übers Wetter, bis er irgendwann diese leidige Frage stellte: „Wie geht’s dir sonst so?“ „Gut“, antwortete ich jedes Mal. Durfte nicht expliziter werden, nicht in die Tiefe gehen; absurd, soeben hatten wir noch millimetergenau über Niederschlagsmengen diskutiert. Ich wollte sagen „Ich bin immer noch mit meinem Freund zusammen, ihm geht es gut, uns geht es gut, er würde dich gern kennenlernen“, aber das alles versteckte ich noch irgendwo in einer dunklen Ecke von „gut“, ich respektierte Papas Bedürfnis nach mehr Zeit. Na ja, bis jetzt zumindest.
Wieder einmal saßen wir auf der Veranda vorm Haus, die Grillen stimmten ihre Flügel für ein energisches Nachmittagskonzert. Ich präparierte meinen Laptop, sodass wir beide gute Sicht darauf hatten, und überprüfte, ob die griechischen Untertitel funktionierten. Love, Simon wollte ich Papa zeigen, einen süßen, harmlosen Coming-of-Age-Film über einen Teenager, der sich outet, und darüber, wie schwierig das sogar in einem toleranten Umfeld sein kann. Meine Lieblingsszene war die, in der sich Simon seiner Mutter anvertraut und sie sagt, dass er jetzt endlich ausatmen kann. Obwohl ich mich schon vor Jahren vor meinem Papa geoutet hatte, musste ich mich jetzt überwinden, auf Play zu drücken, und das, obwohl ich zur Sicherheit schon vage angedeutet hatte, was das für ein Film sein würde. Ich konnte weder ein- noch ausatmen, dabei wollte ich nichts sehnlicher.
Immer wieder lugte ich zu ihm rüber, um seine Reaktion einzufangen, wie ich das zugegebenermaßen immer tat, wenn ich Lieblingsmenschen meine Lieblingsfilme zeigte. Bei den lustigen Szenen lachte er laut, und generell wirkte er so untypisch entspannt. Einzig als Simons Papa unter Tränen zu seinem Sohn sagt „Ich würde nichts an dir ändern“, waren wir erstarrt und die Grillen lauter als je zuvor.
„Der Film hat mir gefallen! Aber warum wolltest du ihn mir zeigen? Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich das an dir akzeptiere.“
Bevor ich antworten konnte, dass ich selbst nicht genau wusste, warum, wusste ich es plötzlich. „Ich kann nicht mehr warten. Ich bin glücklich und gesund, aber ich würde gern mehr mit dir teilen können, weil du mir wichtig bist. Dir zum Beispiel meinen Freund vorstellen. Ich werde aber nicht mehr fragen, ob oder wann du bereit bist. Du musst zu mir kommen,“ sagte ich, atmete sieben Jahre alte Luft aus … und stellte mir vor, wie mein Papa bald Schwuler Sohn Freund kennenlernen Hilfe googeln würde.
© Dimitrios Meletis 2023-08-26