Love like … Alex liebt Anja (1)

Alex sitzt am selben Platz gleich beim hinteren Einstieg des Busses und Markus wie jeden Tag neben ihm. Alex hört Markus reden, tut so, als würde er zuhören, dabei dringt nichts von dem, was Markus sagt zu ihm durch. Er könnte kein einziges Wort des soeben gehörten wiedergeben, selbst wenn ihm jemand unter Androhung des Todes eine Pistole an die Schläfe halten und von seinem Erinnerungsvermögen daran abhängig machen würde, ob Alex überlebt. Es interessiert ihn kein bisschen, was Markus, der so wie Alex 11 Jahre ist, sich aber wie 50 verhält und mit dem er ohnehin nur befreundet ist, weil er schlecht Nein sagen kann, erzählt. Wahrscheinlich zählt er die Namen aller US-Präsidenten seit Abraham Lincoln der Reihe nach auswendig auf, wie neulich, oder referiert darüber, dass er im Falle eines neuerlichen Weltkrieges eher zu den Amerikanern als zu den Russen flüchten würde.

Alex hat einzig und allein Augen für die riesige Haltestelle aus Buchenholz in der Stiftsstraße, die der Schulbus gerade ansteuert und die kleinen wartenden Gestalten darin, die mit ihren dicken Schultaschen am Rücken, wie auf zwei Beinen gehende Schildkröten aussehen. Wie immer drängeln die wartenden Kinder vor der Haltestelle, weil es in der Stiftsstraße schon um etwas geht: Entweder man hat Freunde die früher einsteigen und groß genug sind, um einen Platz freihalten zu können. Oder man drängelt vor dem Einsteigen und sichert sich einen der letzten nicht reservierten Plätze. Sonst steht man.

Die Türen des Schulbusses öffnen sich zischend, die Kinder schieben durch die zwei Türen und laufen zu den freien Plätzen. Da ist sie – Anja. Alex bleibt der Atem weg, als sie durch die hintere Tür einsteigt und an ihm vorbeigeht. Sie steigt wie meistens gleich nach ihrer älteren Schwester ein, die zwei Jahre älter und vor allem einen Kopf größer ist und sich gegen die drängelnden Buben besser durchsetzen kann. Alex weiß, dass entweder Anjas Schwester einen Doppelsitzer für sie beide erkämpft, oder sie zwei Doppelsitzer reservieren, auf denen dann Anjas beste Freundinnen Lisa und Sophie, die noch später, in T. einsteigen, neben ihnen sitzen.

Anja liebt es, sich die Haare zu färben und das in möglichst grellen Farbtönen. Blau und rot waren bereits dran, als sie gestern überraschend mit giftgrünem Haar in den Bus einstieg. Wie andere darauf reagieren, scheint ihr dabei vollkommen egal zu sein, was Alex beeindruckt. Als sie ihre Haare rot färbte, nannte Georg sie eine Woche lang Pumuckl … bis sie ihm eines Nachmittags überraschend mit voller Wucht in die Eier trat. Das war am Nachmittag vor der Schule passiert. Georg war zuerst alle Farbe aus dem Gesicht gelaufen, dann hatte er sich langsam auf die Knie fallen lassen, nach vorne gebeugt und war so sitzen geblieben. Nach 20 Minuten, als der Bus kam, hatte er sich zwar aufgesetzt, war aber nicht eingestiegen. Er ließe sich lieber von seiner Mutter abholen und vielleicht ins Krankenhaus fahren und überhaupt würde er Anja anzeigen, presste er schmerzverzerrt heraus. Die Reaktionen der anderen waren unterschiedlich ausgefallen. Die Mädchen sagten fast alle, er, Georg habe es ja herausgefordert, viele lachten auch.