von Sarah Moser
Andere Leute beginnen zu beten, andere zu singen, wieder andere entdecken abertausende Ratgeber und Bestseller zum Thema Psyche und Krebserkrankung. Meine Mutter jedoch brauchte dies alles nicht, sie hatte eine Gabe, die kein anderer Mensch so sehr hat, wie sie. Ihre innere Stärke! Ob körperlich oder mental, meine Mutter kann einen unfassbar großen Schmerz ertragen und lächelt trotzdem noch. „Unser Humor hat uns immer noch gerettet!“, sagt sie bis heute zu meiner Schwester und mir. Ich schätze sie für so viele Dinge, die sie gut kann: Ihre phänomenalen Gerichte, die immer perfekt abgeschmeckt sind, ihre Kunst Bilder abstrakt zu malen und ihre Intelligenz, dass sie zu jedem Thema immer etwas Passendes weiß. Das größte Geschenk und das größte Wunder waren für mich dennoch bis heute, ihre Stärke. Ich kenne keinen Menschen, der diese Stärke in sich trägt. Eine Stärke, die alles andere bei Weitem übertrumpft! Während der Chemotherapie, aber vor allem danach, ging es meiner Mutter immer richtig schlecht. Gliederschmerzen, Fieber, Schüttelfrost, Schwindel, Kopfweh, Übermüdung, Schmerzen in der Brust, Atembeschwerden und Übelkeit waren noch die harmlosesten Begleiterscheinungen.
Ich konnte einfach nur neben ihr auf dem kühlen Ledersofa im Wohnzimmer sitzen und ihr etwas von meinem Tag in der Schule erzählen. Ab und zu saß ich auch einfach nur da und sagte nichts. Den ganzen Sommer verbrachte ich an ihrer Seite. Mein Interesse an Schwimmen oder Rad fahren war gänzlich verschwunden. Mein einziger Gedanke: Ich möchte bei meiner geliebten Mama sein und ihr bei allem beistehen. Außerdem ist man zu Zweit bekanntlich weniger allein. Zum Thema Trauer und Schmerz kann ich zu unseren verschiedenen Familienmitgliedern nur eines sagen: Mein Vater weinte während dieser ganzen Krebserkrankung nicht ein einziges Mal. Meine ältere Schwester hingegen weinte unglaublich viel. Und ich? Ich weinte zwar auch, jedoch fast nie vor meiner Mutter, nur dann, wenn es einfach zu viel wurde. Man konnte ihr einfach nicht helfen, ihr keine Schmerzen ersparen und man konnte auch nicht einfach alles abbrechen, da man die Konsequenzen genau kannte. Dem Tode gegenüberzustehen, egal wie schwach man auch ist, ist niemals eine freiwillige Entscheidung. Jeder Mensch wird kämpfen, so gut es eben geht und meine Mutter kämpfte vorwiegend für ihre Töchter. Sie war der Inbegriff von Tapferkeit und der lebende Beweis dafür, wie viel ein Mensch wirklich aushalten kann. Meine Mama ist eine Löwin und Löwenmütter geben alles für ihre Kinder!
© Sarah Moser 2022-10-01