Luft

Laura Kadur

von Laura Kadur

Story

Ich lag in meinem Bett und um mich herum war undurchdringbare Finsternis. Alles um mich herum war mir vertraut. Trotzdem spürte ich blanke Panik. Obwohl ich auf meiner Matratze lag, schlossen sich von hinten Hände um meinen Hals und drückten zu. Ich zappelte erfolglos. Meine Hände rangen nach Leben. Meine Beine stemmten sich in die Matratze. Weg hier! Ich muss weg hier! Luft! Ich brauche Luft! Ich schlug um mich und strampelte wild, doch ich hatte keine Chance. Die Hände um meinen Hals waren unbesiegbar. Und dann kam es mit der allerletzten Luft, die mir noch geblieben war: das laute Wimmern. Es war ohrenbetäubend und hallte im Raum und in meinem Körper wider wie ein endloses Echo. Es kam von einer Ebene in mir, zu der ich noch nie eine Verbindung hatte. Es war schrecklich laut und bestand aus purer Angst. Ich bin das. Ich tue mir das an! Ich lag auf mir und mein unteres Ich erwürgte mich. Ohne Gnade. Ganz konsequent. Ohne Zögern. Ohne Unsicherheit. Mein Wimmern war so laut, dass ich davon wach werde. Atmen. Geschockt und steif liege ich in meinem Bett und starre bewegungslos ins Schwarze. Atmen. Mein Herz rast, meine Lunge versucht so viel Luft wie möglich einzusaugen. Einatmen. Ausatmen. Ich bewege meine Finger. Einatmen. Tief ausatmen. Der Schock sitzt tief. Bewegen. Atmen. Schweißnass. Atemlos. Stocksteif. Dunkelheit. Meine Wohnung, mein Bett, alles so vertraut. Aber ich bin mir nicht vertraut. Ich kenne mich nicht. Von meiner Familie in tausend Stücke zerrissen und von Therapeuten zusammengeklebt. Was davon bin ich? Keine Ahnung, aber ich mache mir Angst. Und solange das so ist, träume ich vom Fliegen, von meinem allerletzten Flug, mit Wind in meinen Haaren und geschlossenen Augen runter zum Beton. Aber das ist nur ein Tagtraum. Nachts erwürge ich mich selbst.

© Laura Kadur 2023-02-16

Hashtags