LUFTPOST – PAR AVION – BY AIR MAIL

Klaus Schedler

von Klaus Schedler

Story

„BY AIR MAIL” stand auf dem dünnen Kuvert, wenn wir früher Post von unserer Tante Gertrud aus der Bronx bekamen. Ja das war etwas ganz Besonderes: Ein Brief, der also tatsächlich mit einem Flugzeug über den Atlantik geflogen worden war. Die ersten Trans Atlantik Flüge erfolgten damals in den 50ern oft noch mit Zwischenstopps in Gander auf Neufundland oder Shannon auf Irland. Für uns als Kinder klang das fast schon wie ein Abenteuer. Ehrfurchtsvoll prüften wir das hauchdünne Briefpapier mit den Fingerspitzen. Für mich als jugendlichen Briefmarkensammler war das so ähnlich, wie ein Kuvert aus Britisch Tanganjika, Belgisch Kongo oder Hong Kong. Flugpostbriefe aber kannte ich nur aus den USA. Meist war die Freiheitsstatue auf der Briefmarke und die beflügelte meine Fantasie weitaus mehr, als der Elefant, der Gorilla oder die Dschunke auf den anderen Marken.

Damals hatte ich ein Vorbild. Als ich von der Volksschule zum Gymnasium wechselte, leistete er nach dem Abitur seinen Wehrdienst bei der damals noch jungen Deutschen Bundeswehr ab, um anschließend mit dem Uni-Studium zu beginnen. Wenn er uns mit seinen Eltern besuchte, interessierte er sich immer für mich, obwohl ich aufgrund meines Alters doch kein ernstzunehmender Gesprächspartner war. Malte ich, so setzte er sich zu mir und zeigte, wie man Farben durch Kontraste zur Entfaltung bringt und den Pinsel richtig führt. Zwar sind diese Aquarelle längst verloren gegangen, doch in meiner Erinnerung sind sie immer noch vorhanden und entfalten dort ihre bis heute richtungsweisende Wirkung.

Es entspricht dem Lauf der Dinge, wenn nach dem Studium der Berufsalltag und die Familie stetig wichtiger geworden waren und mir selbst ging es ja mit 10jähriger Verzögerung ja ganz genauso. Dann aber, nach meiner Pensionierung entschloss ich mich, den eingeschlafenen Kontakt zu beleben. Dies erwies sich insofern als schwierig, als er mittlerweile in einer relativ abgeschlossenen Welt zu leben schien und allen Innovationen skeptisch gegenüberstand: Kaum Fernsehen, kein Computer und schon gar nicht mit Internet usw.

Bei einem Besuch verglich ich seine Haltung mit jener der Amischen in Pennsylvania. Er lächelte, während seine Frau mich erschrocken anblickte. Dann aber zitierte er lachend und frei aus dem 1. Johannesbrief „Wir dürfen die Welt nicht allzu sehr lieben, denn die Welt mit all ihrer Gier, Selbstsucht, Macht usw. wird vergehen; das Göttliche aber wird bestehen bleiben (1. Joh 2 15, 17). Später vertraute mir seine Frau an, dass der Freund wohl gelacht habe, doch er nehme diese Dinge sehr ernst und ich hätte mit meinem Vergleich „voll ins Schwarze“ getroffen.

Zu Weihnachten schickt er mir regelmäßig einen Brief aus dem südlichen Niedersachsen ins Österreichische Waldviertel. Auf das Kuvert schreibt er stets den Zusatz „LUFTPOST“ neben meine Adresse, der jedoch von der Post geflissentlich ignoriert wird.

Gar so fortschrittsfeindlich dürfte er also wohl nicht mehr sein.

© Klaus Schedler 2021-01-18