von Lu Sahnig
Etwas nervös lächelte er in die versammelte Runde. Seine Freunde waren ihm so lieb wie weniges auf der Welt. Man traf sich häufig hier am See, trank gemeinsam ein kühles Bier und tauschte sich aus. Da blieb unter jungen Leuten nichts unausgesprochen. Emil nahm an jeder Konversation rege teil. Nur ein Thema, das hasste er. Jedes Mal aufs Neue hatte er einen Kloß im Hals, wenn seine Freunde über Sex sprachen. Sie tauschten sich aus über Stellungen, Spielzeug, Vorlieben. Genau beim letzteren Punkt war Emil jedes Mal zerrissen. Es waren seine Freunde. Sie kannten sich ewig. Sie würden sich nicht von ihm abwenden, oder? Jedoch kannte er die bissigen Kommentare mancher Leute im Internet. Was, wenn jemand hier das genauso sah? Mittlerweile verfluchte sich Emil, dass er überhaupt online nachgelesen hatte. Wenn nicht die Ansichten all dieser Fremden auf ihn eingeprasselt wären wie Hagelkörner, dann wäre wahrscheinlich noch alles, wie es am Anfang war. Am Anfang, als es für Emil das normalste der Welt schien, dass er über Ausscheidungen fantasierte. Damals, als er sich mit einer Frau verabredet hatte, nur um sich von ihr anpissen zu lassen. Als er dabei die Freude seines Lebens hatte und gar nicht ahnte, dass andere so was kein Stück erregend fanden. Erst später merkte er dann, dass es wohl Probleme geben würde, wenn er aussprach, was er empfand. So sehr er diese Neuerung in seinem Denken hasste, so sehr war er auch erleichtert diese Tatsache bemerkt zu haben, bevor er sich verplappert hätte. Gerade taten seine Freunde es aber wieder. Sie sprachen über Sex. Bei dem einen ging es um die neue Freundin. Bei dem anderen um eine alte Bettgeschichte. Der Dritte erkundigte sich, ob schon jemand Erfahrung mit genoppten Kondomen hatte. Emil saß daneben und schwieg. Hatte er. Aber viel wusste er nicht mehr. Er war an diesem Abend zu sehr auf den Kot seiner Partnerin fixiert gewesen.
„Stimmt etwas nicht bei dir?“, kam da die Frage, die Emil ins Stocken brachte.
„Nein. Alles gut. Sprecht ruhig weiter.“
„Würde dir das eigentlich gefallen? Ich meine, manche dieser Stellungen sind schon sehr außergewöhnlich“
Emil zuckte. Scheinbar ging es gerade darum. Er wusste nicht recht, was er antworten sollte. Er hatte einige Lieblingsstellungen beim Sex, aber sein Fokus lag definitiv woanders. Sie machten für ihn also keinen großen Unterschied. Unsicher gab er zurück: „Ich weiß nicht. Mir ist das nicht so wichtig.“
Er wollte seine Freunde nicht anlügen. Er wollte sich nicht irgendetwas ausdenken, auch wenn das für viele wahrscheinlich die beste Lösung gewesen wäre. Solche Neigungen sollte man geheim halten, das hatte er schon oft gelesen. Er fühlte sich aber nicht wohl damit, seine engsten Vertrauten anzulügen. Er hatte das Thema nicht auf den Tisch gebracht. Sie hatten begonnen, darüber zu sprechen.
„Echt? Was ist dir wichtig? Hast du ein paar Tipps?“
© Lu Sahnig 2022-07-29