Lügenbeulen und Tod im Gartenparadies

Angelika Guldt

von Angelika Guldt

Story

Der Garten – (m)ein Paradies. Dieser Titel erscheint mir als Zumutung Anfang März 2021. Wie kann das Schreiben vom Gartenparadies in Zeiten wie diesen mehr sein als biedermeierliche Flucht? Alles gefroren da draußen, die vertrockneten Stängel der Astern vom Vorjahr künden vom Tod. Die abgestorbene Königskerze steht zwar noch, würdig, die Hoffnung auf ihr Königskind aber noch ferne Fantasie. Es hat gefroren, kahl sind die Bäume, die winzigen Blattknospen verstecken sich gut. Verborgen vor den Blicken auch die Gestrandeten in Moria – ihre südlichen Gärten daheim eingetauscht gegen kalte Zelte auf feindlich gestimmter Erde. Die Pest des 21. Jahrhunderts wütet und Angst geht um, nicht nur bei den Flüchtenden. Schwarze Lügenbeulen und das Fieber der Machtgier vertreiben uns aus den mythischen Paradiesgärten des Orients, seit Jahrtausenden Gleichnis für Sehnsucht nach Harmonie, Zugehörigkeit und göttlicher Herkunft. Wo sind die Gärten geblieben? Meine Traumgärten in Südengland unerreichbar, jenseits des Brexit verschollen. Gartenharmonie grell übertüncht vom Widerstreit der Meinungen, eitel und laut pocht es im Rhythmus der Zeit: Ich hab recht, hab‘ recht, hab‘ recht. Aber der Titel der Challenge lässt mir keine Wahl, und ich will es ja auch finden – ich suche (m)ein Paradies.

Und … mein Garten lässt mich nicht im Stich!

Zögernd weicht der morgendliche Reif an diesem frischen, blauklaren ersten Märztag vor der Wärme der aufsteigenden Sonne. Vor dem braunen Dickicht verdorrter Pflanzen haben sich gesellige Winterlinge grellgelb zusammengetan und strahlen in der Sonne, von der sie ihr Leben beziehen. Schneeglöckchen trotzen der Kälte, als hätten sie Frostschutz getrunken. Ein paar Krokuskelche strecken sich genüsslich im Licht: Freude schöner Götterfunken, diesen Krokus(s) der ganzen Welt!

Der Blick weitet sich und allerorten hinter feuchtem braunen Laub und toten Zweigen künden Triebe und Knospen von Frühlingsfreude, Wärme und neuem Leben.

Woher nehmen diese grünen Auferstehungskünstler bloß ihre Zuversicht? Ihr großes Geheimnis, so spüre ich, ist die Hinwendung zum Licht. Sie sind die Seelen der Welt, atmen den Himmel, meditieren ihn in ihren Körpern und holen ihn so auf die Erde. Aus allen Poren sprießt Schönheit, Leben und Freude. Das macht aus meinem Garten tatsächlich ein Paradies und zeigt mir wie das gehen kann mit dem Licht und dem Leben.

© Angelika Guldt 2021-03-03