Mein Dad hat mich gebeten bei einem Lunchdate alle weiteren Details zu besprechen. Also drĂ€nge ich meinen Vater in unserem Lieblingsbistro, endlich mit der Sprache herauszurĂŒcken. âAlso erzĂ€hl mir, worum gehtâs hier genau? Du hast etwas von einem alten Studienkollegen erzĂ€hlt?â âJa! Mehr oder weniger, also es geht vielmehr um seine Tochter.â Ich werde hellhörig. Ich fĂ€nde es toll einmal mit einer starken Frau in einer FĂŒhrungsposition zusammenzuarbeiten. âSie hat ein kleines Hotel und ich habe unsere Hilfe angeboten.â âNa das klingt doch toll! Wo liegt es denn, in Mayfair? Oder doch Chelsea? Ist es etwa so ein modernes Boutiquehotel, von einem lokalen KĂŒnstler designt?ââHmmm sagen wir, es liegt etwas lĂ€ndlicher.â âOh, okay! Richmond ist sicher auch ein toller Platz fĂŒr ein hĂŒbsches Designhotel. Die Vororte werden ja auch immer beliebter, auch beim jĂŒngeren wohlhabenden Publikum.â âNoch lĂ€ndlicher.â, unterbricht er mich, bevor meine Fantasie mit mir durchgehen kann. Ich muss kurz ĂŒberlegen wie viel lĂ€ndlicher ein Luxushotel sein dĂŒrfte ohne den Londoner Flair und die damit einhergehende gut zahlende Kundschaft zu verlieren. Ich runzle die Stirn. âDas Hotel ist in Backwell.â Ich starre meinen Vater erwartungsvoll an, denn ich habe absolut keine Ahnung wo das liegen soll. Ich kenne rund um London nichts was diesem Namen auch nur Ă€hnlich ist. Ich ĂŒberlege, ob es vielleicht so etwas wie ein Kosename der Einheimischen sein kann. Mein Vater dĂŒrfte beobachten haben wie mein Kopf förmlich zu rauchen beginnt. Also fĂ€hrt er fort. âEs ist etwas weiter westlich, wir hatten bisher noch keine Klienten dort.â Ich versuche mir immer noch in Erinnerung zu rufen, woher ich diesen Namen kenne, mein Kopf hört auch jetzt nicht auf wie verrĂŒckt zu hĂ€mmern. Ich bin mĂŒde und erschöpft, obwohl der Tag noch nicht einmal zur HĂ€lfte rum ist. Genervt ziehe ich mein Telefon aus der Tasche und beschlieĂe einfach danach zu googeln. Ich lese was von ca 3.500 Einwohnern und werde stutzig, kurz blicke ich von meinem Telefon auf und schaue meinem Vater direkt an. âIch habe doch gesagt, es wird etwas anders als unsere bisherigen AuftrĂ€ge.â Langsam wird mir bewusst, worauf ich mich hier eingelassen habe.
Am nĂ€chsten Tage habe ich nach einem langen und aufreibenden Arbeitstag, meinem alljĂ€hrlichen Kontrolltermin bei meiner GynĂ€kologin. Eine vermeintlich einfache Frage bringt mich dort unerwartet aus dem Konzept, denn ich weiĂ keine Antwort darauf. âWie gehts es Ihnen Frau Carner?â Ich schweige einige Momente bevor ich richtig weiĂ, was ich antworten soll. Normalerweise tue ich diese Frage mit einem âDanke gut!â ab. Heute jedoch konnte ich es aus irgendeinem Grund nicht sagen, ich habe keine Kraft mehr zu lĂŒgen, bin einfach zu mĂŒde dafĂŒr. So wie ich es die letzten Wochen, quatsch Monate schon bin, stattdessen breche ich in TrĂ€nen aus und sage kein Wort. Ich werde wĂŒtend, weil ich meine GefĂŒhle nicht unter Kontrolle habe, schlieĂlich bin ich eine erwachsene Frau, aber ich bekomme es einfach nicht hin, was zu noch mehr TrĂ€nen fĂŒhrt. âIch, weiĂ es nicht, beruflich lĂ€uft es momentan vielleicht nicht ganz so gut und ich habe Kopfschmerzen.â Meine Ărztin wirkt leicht geschockt, wahrscheinlich wundert sie sich darĂŒber wie eine erwachsene Frau wegen so einer Kleinigkeit in TrĂ€nen ausbrechen kann. Dann erinnere ich mich an den heutigen Morgen.
© Stephanie Grossauer 2024-08-31