Lustmolch am Handy – nicht mit Mama!

Tanja Gitta Sattler

von Tanja Gitta Sattler

Story

Mein Jüngster erzählt, dass ihn ständig ein Mann auf seinem Handy anruft. Mamas Alarmglocken springen fixer an, als der Feuermelder in der Küche, wenn’s gar zu arg dampft. Der Puls rast wie Speedy Gonzales, die schnellste Maus von Mexiko.

“Was sagt er denn, will er dich treffen?”

„Ich verstehe ihn nicht richtig, Mama, aber er macht mir Angst. Ich drücke ihn immer weg.“

“Gut so! Gar nicht auf ihn eingehen. Gib mir mal dein Handy. Falls die Nummer zu sehen ist, erzähl ich ihm etwas Nettes!”

“Vielleicht hat er sich nur vertippt?”, gibt mein Großer zu bedenken. Er weiß was kommt, wenn ich jemand in diesem Zustand etwas “Nettes” erzähle. “Meine Güte, dass du immer gleich Panik schiebst!”

“Na ja, wer ist so doof und tippt rein zufällig dauernd dieselbe Nummer ein?”

“Keine Ahnung! Vielleicht so ein armer tatteriger Opa?”

“Vielleicht“, überlege ich und versuche es mit Omm – no chance! Das Messer in der Tasche ist aufgeklappt. Kopfkino: Mein Kleiner wird gestalkt, vor der Schule lauert ihm ein Perversling auf. Alptraum hoch zehn! Doch ich will ihn nicht unnötig verängstigen und beiße mir tapfer auf die Zunge. Da klingelt es.

“Er ist es!” Mit weit aufgerissenen Augen, hält mir mein Kleiner das Handy entgegen.

Ich fletsche die Zähne und knurre ins Gerät: “Wieso rufen sie dauernd meinen Sohn an?” Ächz, murmel, schnauf. Auf wildgewordene Mamas steht der Typ offenbar nicht. „Hallo, ich spreche mit Ihnen!“ Unverständliches Gebrabbel. Ich stelle die Frage lauter. Der Murmelmann legt nicht auf, aber antwortet auch nicht. Seine Geseiere klingt gruselig, es schwingt eine Art Singsang darin wie nicht von dieser Welt. Meine Nackenhaare sträuben sich, Spannung baut sich auf. Kein Wunder, dass mein Junge Angst hat. Ich auch!

“Wenn Sie meinen Sohn noch einmal belästigen, dann gebe ich Ihre Nummer der Polizei. HABEN SIE VERSTANDEN?” Den letzten Satz brülle ich so laut, dass mein Kater vor Schreck die Kurve kratzt und dabei die Zimmerpalme umreißt. “Okay”, sagt der Mann klar und deutlich. Sieh an, geht doch!

Mein Ältester schimpft. Er ist der Meinung, dass ich gerade ein harmloses, armes Großväterchen zu Tode erschreckt habe. Ich lass mich nicht beirren und rufe die Polizei an, sie nehmen die Sache sehr ernst. Eine Kripobeamtin kommt vorbei und lässt sich die Anrufe zeigen. Wohnort und Name des Anrufers sind schnell gefunden, die Polizei vor Ort wird aktiv. Abends meldet sich eine freundliche Beamtin: “Fr. Sattler, wir haben den Mann aufgesucht. Er ist schon älter, sehr nett und ein bisschen tatterig. Seine Tochter hat eine ähnliche Nummer und ihm ist wohl ein Zahlendreher passiert. Er sagte: ‚Gott sei Dank, dass die Polizei da ist. Diese Frau war völlig außer sich. Bitte sagen sie ihr, es tut mir leid, wenn ich ihr Kind erschreckt habe und geben sie ihr bloß nicht meine Adresse!“

Wir sind auf Lautsprecher, mein Großer schlägt die Hände vors Gesicht. Ich kann mich gerade noch höflich bedanken, dann ereilt mich der Lachflash meines Lebens.

Aber wer weiß, wer weiß …

© Tanja Gitta Sattler 2021-06-02

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