von Marianna Vogt
«Guten Morgen Frau MĂŒller. Merci vielmals fĂŒr das Geschenk. Ich habe gestern Abend bereits die erste Geschichte gelesen. So lustig das Einhörnchen welches rĂŒckwĂ€rts leben wollte. Ich habe so lachen mĂŒssen.»Â
«Gehe ich recht in der Annahme, dass dir das Buch gefÀllt, Holly?»
«Oh ja, Frau MĂŒller, Sie haben mir eine groĂe Freude bereitet. Ich habe mir vorgenommen, jeden Abend bevor ich zu Bett gehe, eine Geschichte zu lesen.»
«Das machst du sehr gut, Kindchen.» Frau MĂŒller lĂ€chelte zufrieden. Ăbrigens, heute ist Freitag, der 13. Dezember. Ein GlĂŒckstag also. Wir werden heute Morgen einen Gang höher schalten, damit wir eher Feierabend machen können.»
Mit einem Dackelblick schaute Holly Frau MĂŒller an und erwiderte: «Frau MĂŒller, ich bin so mĂŒde. Diese Woche war anstrengend, ich kann nicht mehr schnell arbeiten.»
«Ich weiĂ, Holly, es gibt Situationen im Leben, da muss man auf die ZĂ€hne beiĂen und die Arbeit trotzdem ausfĂŒhren. Denke an das zamonische Sprichwort, dann fĂ€llt dir die Arbeit leichter.»
«Und wie heiĂt dieser Spruch, Frau MĂŒller?», fragte Holly interessiert.
«Wer mit einer Raupe ins Bett geht, sollte sich nicht wundern, wenn er am Morgen mit einem Schmetterling erwacht.»
«Uii so schön, jetzt arbeite ich doppelt so schnell, Frau MĂŒller», entgegnete Holly.
Die Chefin verlieĂ das BĂŒro und kam mit einem Silbertablett zurĂŒck. Holly betrachtete stirnrunzelnd die drei zusammengerollten Papierröhrchen die darauf lagen.
«WeiĂt du, was das ist, Holly?», fragte Frau MĂŒller erwartungsvoll.
Holly lehnte sich zurĂŒck, dann antwortete sie: «Ich bin mir nicht sicher. Aber sie sehen aus, als wĂ€ren es 10er-Noten.»
«Ganz genau, so ist es, Kindchen.»
«Und was machen wir mit denen? Verschenken wir die?», fragte Holly neugierig.
«Du verschenkst die, Holly! Du allein. Ăberlege dir also gut, wem du eine Freude bereiten willst.» Frau MĂŒller lĂ€chelte.
Kurz nach der Mittagspause war die Arbeit im BĂŒro erledigt und Holly machte sich auf den Heimweg. Am Bahnhof sah sie den VerkĂ€ufer, der sie oft freundlich grĂŒĂte. Sie ging auf ihn zu und kaufte ein StraĂenmagazin. «Der Rest ist fĂŒr Sie,» sagte Holly stolz. Freudig schob der Mann das Geld in die Hosentasche und winkte ihr zum Abschied zu.
GegenĂŒber befand sich ein Kiosk. Dort kaufte Holly 10 1-Franken-Lose fĂŒr Frau MĂŒller. Sie ist zwar eine strenge Chefin, aber sie hat das Herz am rechten Fleck, dachte Holly und steckte die GlĂŒcksscheine in die Tasche. FĂŒr die letzten 10-Franken wollte sie sich etwas mehr Zeit nehmen, wem sie eine Freude bereiten könnte.
Als sie am Bahnhofsplatz nach dem Bus Ausschau hielt, sah sie den StraĂenverkĂ€ufer, der offensichtlich jemand suchte. Plötzlich rief er: «Da sind Sie ja. Sie haben etwas verloren.» Er hielt Holly ein KĂ€rtchen entgegen. Schnell griff sie danach und las leise: GlĂŒck ist kein Zufall. GlĂŒck ist eine Art zu leben. Als Holly sich beim Mann bedanken wollte, war er nirgends mehr zu sehen.Â
Die Geschichte ist eine Mischung aus MÀrchen und RealitÀt!
Titelbild: AushÀngetafel einer BÀckerei in Aarau
© Marianna Vogt 2024-12-13