von JWK
Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wie mein erster Fotoapparat ausgesehen hat. Auf alle Fälle habe ich in meiner Jugendzeit viel fotografiert. Und als mir plötzlich eine Dunkelkammer zur Verfügung stand, habe ich zahlreiche Schwarz-Weiß-Fotos selbst entwickelt und auch manche interessante und lustige Bilder kreiert, zum Beispiel eine Art Passfoto für ein Studienjahr in Wien. Da blicke ich verschmitzt durch einen von mir gehaltenen Rahmen aus dem ein Schal heraushängt.
Farbfotos waren nur bei Festen ein Thema, aber gerade das brachte mir viele Einladungen, um bei privaten Feiern oder Hochzeiten zu fotografieren, so viele, dass ich schon bald eine große Abneigung gegen mein störendes Umherlaufen bei Festlichkeiten hatte. Schließlich nahm ich meine Fotoausrüstung nicht mehr zu Feiern mit.
So auch im Februar 1971. Ich war zur Hochzeit eines Maturakollegen eingeladen. Als ich eintraf, wurde ich umgehend mit der Bitte konfrontiert: „Machst du, bitte, ein paar Fotos von unserer Feier?“ Darauf war ich vorbereitet: „Ich habe leider keine Fotoausrüstung dabei!“ – Aber das half nichts. Der Einfallsreichtum meiner Freunde war größer. Im Nu hatte ich eine mir fremde Kamera in der Hand. „Aber ich habe ja kein Blitzgerät!“ Auch das war sofort da. Ein großartiges Modell. Nun war ein Nein unmöglich. Vier Farbfilme knipste ich mit mancher Verrenkung und aus interessanter Perspektive, damit das Brautpaar schöne Erinnerungen hat. Die Filme ließ ich gleich beim Brautpaar.
Da ich nichts von den Fotos hörte, meldete ich mich nach einer Woche. Zuerst Schweigen am Telefon und dann kam es: Vier Filme entwickelt und kein einziges Bild, auf dem irgendetwas zu sehen oder zu erkennen ist. Die edle Kamera und der Blitz stimmten überhaupt nicht überein. Ich wünschte, der Boden würde sich auftun und mich mit Haut und Haaren verschlingen. Niemals hätte ich mich überreden lassen dürfen. Aber jetzt war es zu spät. – Gott sei Dank haben ein paar Freunde auch fotografiert. So gab es wenigstens einige Erinnerungsbilder für das Brautpaar.
Ab diesem Zeitpunkt war mir klar, dass ich keine Feste und Feiern fotografieren werde. Es machte mir schon längst keinen Spaß mehr, die geselligen Momente durch das ‚Objektiv‘ mitzuverfolgen. Mein Entschluss wurde immer deutlicher: „Keine ‚objektive‘ Feier, sondern ’subjektive‘ Feste erleben!“ Diese Weisheit lebt bis heute all die Jahre tief in mir und begleitet mich seither.
Eine Zeit lang machten mir noch Natur-Aufnahmen Spaß, bis ich das Fotografieren für Jahre überhaupt aufgab. Erst mit Aufkommen der digitalen Möglichkeiten begann ich wieder Freude an guten Bildern, vor allem an Reise-Erinnerungen, zu haben. Allerdings stehe ich jetzt vor einer nicht zu bewältigenden Fülle von gespeicherten Dateien. Es gab wohl zu keiner Zeit so viele Fotos und so wenig wirklich angeschaute Bilder wie jetzt …
Was immer: Feste feiere ich nicht mehr ‚objektiv‘, sondern ’subjektiv‘. Das tut mir gut.
© JWK 2020-11-24