Mädchen sind kompliziert!

Als Vati mir den Scheitel kämmt und mir erklärt, man müsse schon was hermachen, wenn man zu einem Mädchen ginge, ziehe ich eine Schnute. Ich will doch nur zu meiner Kindergartenfreundin zum Spielen. Vati macht einen Aufriss, als würde ich der einen Antrag machen. “Und was bringst du ihr mit?”, fragt er. “Wie, was bringe ich mit?”, frag ich überrascht. Wenn man zu einem Mädchen geht, dann bringt man dem was mit. Etwas Kleines. Eine Aufmerksamkeit. Etwas, das ihm sagt: ‘Ich hab an dich gedacht.’ oder ‘Ich hab mich auf dich gefreut.’ ”, meint Vati. “Öhm…”, sage ich, denn ich hab nix für meine Spielkameradin. “Dann pflückst du ihr einfach auf dem Weg die schönste Blume, die du findest.”, sagt Vati und schickt mich mit einem Klaps auf den Hintern los. Auf meinem Weg grüble ich nach. Die Sache mit den Mädchen scheint mir recht verzwickt zu sein. Nicht so einfach wie zwischen uns Burschen. Aber Vati scheint sich da auszukennen, denn immerhin sind er und Mutti ja nun schon lange gut befreundet. Vati bringt Mutti immer was mit, wenn er heimkommt. Und dann lächelt sie. Vati wiederum bekommt – je nach Geschenk – auch immer etwas von Mutti. Wenn er Pech hat, und das Geschenk nicht gut ankommt, nur einen Kuss, aber manchmal auch was richtig Gutes, nämlich was Feines zu essen. Auf meinem Weg rupfe ich ein Blümchen aus. Ich hätte mir mehr Zeit lassen sollen beim Suchen, denn ich bekomme nichts zu essen, sondern auch nur einen Kuss auf die Wange. Mädchen und ihre Knutscherei! Wer findet sowas gut?!

Rund 40 Jahre später leg‘ ich das Monchichi, das ich ihr mitgebracht hatte, in den Bettkasten zum “Kleinen Wanderer”. Sie wollte es nicht haben. Weil sie kein Mädchen mehr ist, sondern eine Frau. Leise sage ich: “Immerhin seid ihr nun zu zweit ungewollt.” Auch, wenn ich mir diesmal wesentlich mehr Zeit gelassen habe, das Geschenk auszusuchen und mir wirklich lange Gedanken dazu gemacht hab, und obgleich es etwas ist, das wir in unseren Kindertagen beide – unanhängig voneinander – geliebt haben, möchte sie es nicht haben. Ich bekomme wieder nichts zu essen, aber einen schönen Kuss, was ich – längst kein Junge mehr, sondern ein Mann – inzwischen ziemlich gut finde.

Jedes Mädchen wird mit der Zeit zur Frau. Das ist schon ganz gut so. Einfacher macht es das aber nicht, denn Frauen sind mindestens so kompliziert wie Mädchen. Ich schließe die Bettlade, hocke mich hin. Wie konnte ich mich nur so vertun mit meinem Geschenk? Ich seufze. Schade, dass Vati nicht mehr da ist! Der kannte sich mit Frauen ziemlich gut aus. Vati schien den mysteriösen Code aus kleinen Zeichen und wortverschlüsselten Botschaften geknackt zu haben, denn er bekam Essen UND Küsse.

Vielleicht hat sich aber auch die Welt verändert, und ich bin womöglich ein kleiner, dummer Junge geblieben. “Mädchen – Pardon! – Frauen sind kompliziert.” Ich beschließe, das mit den kleinen Geschenken sein zu lassen. Sie wird auch so wissen, dass ich an sie gedacht, mich auf sie gefreut hab’…