Nach einer erholsamen Nacht hatte ich bereits am Morgen ein ziemlich flaues GefĂŒhl im Magen, denn ich wusste, dass sich unser Malte nach dem gestrigen Schrecken hundertprozentig irgendeine Bosheit ausgedacht und in die Tat umgesetzt hat. In mir machte sich Unruhe breit, denn er wĂŒrde sich rĂ€chen, das war so sicher wie das Amen im Gebet! Ich machte wie immer meine RadelĂŒbung, bevor ich aus dem Bett sprang, und schaute kurz in die offene Kommodenlade, aber unser Kerlchen war âausgeflogenâ. Na, das konnte noch heiter werden, doch ich entdeckte in der Wohnung keinen Hinweis auf eine Retourkutsche. Ich setzte das Teewasser auf und richtete liebevoll unser FrĂŒhstĂŒck her. Bis jetzt hatten wir noch keine âböseâ Ăberraschung entdeckt und ich hoffte, dass es bleiben wĂŒrde.
Gott sei Dank hatte sich das Kerlchen bis jetzt keinen Unfug ausgedacht, trotzdem traute ich dem Frieden nicht. Nach dem FrĂŒhstĂŒck studieren Helmuth und ich immer die Zeitung, die ich aus dem Postkasten vor unserer WohnungstĂŒre holen kann. Ja, jetzt wusste ich, dass Malte bereits sehr frĂŒh unterwegs gewesen sein musste, denn unser WeihnachtsfuĂabstreifer lag vor der NachbarstĂŒre. Er hatte die beiden Vorleger vertauscht, dieses Problem war wirklich leicht zu lösen. Aber es kam noch dicker. Die Zeitung hatte er auf das Fensterbrett im Vorhaus hingeworfen. Das geöffnete Fenster lieĂ die einzelnen BlĂ€tter im Wind tanzen und ich sah in meinem Pyjama nicht gerade alltagstauglich aus, wie ich Blatt fĂŒr Blatt einsammelte. Inzwischen steckte auch Helmuth seinen Kopf aus unserer WohnungstĂŒre und prustete los: âDa hat sich unser Troll ja wirklich wieder einmal etwas Tolles einfallen lassen. Ja, meine Liebe, das grausliche Foto hat er nicht vergessen und jetzt weiĂt du, wie sĂŒĂ Rache sein kann! Mein Schatz, du siehst in deinem rosafarbenen Pyjama richtig sĂŒĂ aus und auch dein rotes Gesicht spricht BĂ€nde!â
Dann aber zeigte er auf die kahle Wand und bemerkte trocken: âDein Dachziegel mit dem schönen Weihnachtsmotiv ist auch verschwunden!â Jetzt wurde ich stocksauer, denn ich hatte diese Dekoration mit viel MĂŒhe hergestellt. Die Serviettentechnik musste ich erst mĂŒhsam erlernen, aber Gott sei Dank fand ich eine ganz genaue Anleitung auf dem âWunderkanal Youtubeâ und dann hat es geklappt. Die SchneemĂ€nner sehen so lustig aus, da muss man lĂ€cheln, wenn man sie betrachtet, bevor man in unsere Wohnung eintritt. Mein Kunstwerk, das ich in der Adventzeit immer ĂŒber dem Briefkasten aufhĂ€nge, war somit spurlos verschwunden. Die kahle gelbe Mauer grinste mich höhnisch an und ich merkte, wie ich immer wĂŒtender wurde: âWenn Malte diese Deko gestohlen hat, dann Gnade ihm Gott!â Gerade hatte ich diesen Satz gezischt, da lief unser netter Nachbar vom dritten Stock die Treppen voller Elan herunter und grĂŒĂte freundlich. Dann aber blieb er abrupt stehen und meinte: âFrau Nachbarin, Sie sehen heute wirklich toll aus!â Ich grĂŒĂte kurz, nickte und flĂŒchtete eilig in die Wohnung!
© Christine BĂŒttner 2021-10-01