Mama, du bist peinlich

Evelyn Peceny

von Evelyn Peceny

Story

Ich kann mich noch ganz genau erinnern, als mein Sohn zum ersten Mal zu mir sagte:,, Mama, du bist peinlich!“ Da war er gerade mal 9 Jahre alt. Diese vier Worte machten mich schon nachdenklich. Zugleich fühlte ich mich alt. Er wollte kein Bussi mehr vor der Schule. Wenn seine Freunde näher kamen tat er so, als würde ich nicht zu ihm gehören. Oder er flüsterte mir zu:,, Mama, geh, Mama geh endlich!“ Er wollte sich dann nur noch ums Eck von mir verabschieden.

Ich machte mir Gedanken. Bin ich wirklich so peinlich? Ich bin doch die coolste Mama auf der Welt. Ich kleide mich lässig. Meine Erziehung ist eher lockerer. Wenn er Probleme hat kann er immer zu mir kommen, ohne, dass ich gleich ausraste. Und jetzt bin ich peinlich für ihn.

Ich verstand die Welt nicht mehr. Vor 20 Jahren fand ich meine Eltern peinlich, aber die waren wirklich peinlich. Ich zweifelte an mir. Bin ich so wie meine Eltern? Mir wurde schlecht. Ich musste, was tun. So will ich nicht sein und auch nicht werden. Meine Mutter schrie immer total laut mit mir und das auch noch vor meinen Freunden in der Öffentlichkeit. Es war ihr egal wie ich mich fühlte. Am Liebsten wäre ich im Boden versunken. Manchmal winkte sie mir von weitem schon zu und brüllte:,, Hallo, Evi, hier sind wir!“ Gut, danke Mama, jetzt weiß es die ganze Ortschaft.

Eines morgens meinte ich zu meinem Sohn:,, Du, ich komm heute früh mit dir mit in die Klasse, ich muss mit deiner Lehrerin was besprechen!“ Er verdrehte die Augen und schnaufte:,, Kannst du das nicht später machen?“ Nein, konnte ich nicht. ,, Das werde ich dir heimzahlen.“ , dachte ich in diesem Augenblick.

Am Weg zur Klasse hielt er schön Abstand von mir. Ich rief laut:,, David, na komm her!“ Er schaute mich beleidigt an und wurde rot im Gesicht. Ich umarmte ihn und gab ihm ein Bussi auf die Wange. ,, Mama, lass das!“ , flüsterte er mir zu. Als ich mit der Lehrerin gesprochen hatte, saß er schon auf seinem Platz. Erleichtert sah er zu mir, da er wusste, dass ich jetzt gehen würde. Aber ich war so böse und schickte ihm noch ein Luftbussi zu und schrie laut:,, Einen schönen Tag wünsche ich dir!“ Als ich die Schule verließ fühlte ich mich schon ein wenig schlecht. Irgendwie war ich nicht besser, als meine Mutter.

Zum Glück war mein Sohn nicht lange sauer auf mich. Zu Hause hatte er nur eine Bitte:,, Mach das nie wieder, Mama!“ Ich gab ihm einen Kuss auf die Stirn und sagte:,, Versprochen!“ Er lächelte mich an.

Am Abend fragte ich meinen Mann:,, Sag mal, bin ich peinlich?“ Ohne zu zögern schoss die Antwort aus ihm heraus:,, Ja Schatz, das bist du!“

© Evelyn Peceny 2020-08-30

Hashtags