mama, du stinkst!!!

Gudrun Salzer

von Gudrun Salzer

Story

vorzugsweise montags und dienstags abends werde ich nach einem langen arbeitstag von meinen kindern beim nach hause kommen so begrüßt.

„ziag des stinkate gwondt aus“, oder „mechst di nit zeascht brausn geh?“, ergänzen das ankommen.

wonach ich rieche?

nach ärger, seelischem müll, unfassbar traurigem.

nach kaltem zigarettenrauch, dem längst überfälligen katzenklo oder dem seit tagen nicht entleerten windelkübel.

nach schimmel, schlecht ziehenden holzöfen. räumen, die tagelang nicht gelüftet wurden.

nach einsamkeit, isolation, ausweglosigkeit. nach chlorreiniger.

an meinen schwarzen socken finde ich haare allerlei getier. eine prise sand rieselt davon. die klebrigen reste des verdünnsaftes, der schwarzgefleckt den boden zierte, kletten an den fasern fest.

nicht nur mein äußeres ist von diesem eau de toilette umhüllt, sondern auch mein innenleben. ich erlebe vernachlässigung und seelische grausamkeit. ich spüre gut getarnte gewalt und misshandlung. ich höre von grenzüberschreitenden handlungen, die mir das unendliche der machtlosigkeit demonstrieren.

diese schert sich im übrigen nicht um soziale zugehörigkeit. ebenso zielgruppe: akkurat gepflegtes äußeres von haus, garten und personen. entsprungen aus einem hippen lifestylemagzin. die eltern gut ausgebildet, finanzstark, dem elternverein oder dem pfarrgemeinderat angehörig.

die gefriergetrocknete atmosphäre lässt emotionen zwischen dem haaransatz und der kinnlade zu. und keinen schritt weiter!! ein eiskaltes gefühlsvakuum.

egal, welch sozialer schicht zugehörig: letztlich begegenen mir in diesen wänden erwachsene, die ihrer kindheit beraubt wurden. die unbeschwertheit, liebe und geborgenheit nur von ihren träumen kennen.

erwachsene, die von ihrem leben erzählen. voller schuld und scham. in diesen momenten treffe ich es. das verletzte innere kind. ich blicke mit ihm auf die schattenseiten. auf abgründe. und sehe gleichzeitig das teuflische erbe für die nächste generation.

„Es ist kalt in der Tiefe des verlorenen Seins. Und sehr, sehr einsam.“ danke Anton_Schenk für deine leihgabe aus „seelenmord“.

erwachsene oder kinder an so einem ort aufzuSPÜREN…

auszuHALTEN, wenn Dunkelheit, Kälte, Scham und Einsamkeit aus ihnen spricht.

ihnen GLAUBEN zu schenken.

SPÜREN, HALTEN und GLAUBEN- ein erstes kerzenlicht mit einem gedanken von wärme.

damit kann jede*r von uns im kleinen beginnen. uns allen ist klar, dass es weh tut, wenn uns zu medizinischen zwecken eine Nadel sticht. doch den kindern erklären wir gern: „das tut nicht weh!“

stürzt ein kind und wartet tränenüberströmt auf tröstende Hände, so wird es beiläufig mit den Worten beruhigt: „das hat nicht weh getan!“

zurück bleibt ein kind, dass SCHMERZ SPÜRT, dem aber keiner GLAUBEN schenkt. das entree für mehr?

für mich kaum auszuHALTEN!!!

in diesem sinne danke ich GONI für seine gedanken in „sozialgewissen- gibt es das?“ und seine einladung zum weiterdenken.

© Gudrun Salzer 2020-06-12