Auf keinen Sand gebaut: “Fragwürdige Sicherheit”
In den vergangenen Jahren, so ist meine Wahrnehmung, hat das V e r t r a u e n als Thema in fast allen Bereichen Karriere gemacht. In der Psychologie ist man davon überzeugt, dass Persönlichkeitsstörungen von einem Mangel an Vertrauen mitverursacht werden. Viele Broschüren bieten Ratschläge, wie sich Selbstvertrauen optimieren lässt. Seelsorgerinnen und alle, die in diesem Bereich tätig sind, erkennen im gelebten Vertrauen das vielleicht verlässlichste Zeichen für die Gegenwart Gottes im Leben eines Menschen, so kann man es bei Arnold Mettnitzer lesen. (Quelle Pfarrblatt St.Stephan)
Obwohl das Thema „Vertrauen“ unseren Alltag bestimmt, will kaum jemand darauf bauen. Lieber bauen wir auf Sicherheit! Obwohl wir aber wissen, dass eine solche Sicherheit letztlich nicht möglich ist, versuchen wir mit Erlebens und Ablebensversicherungen das Ungewisse in Schach zu halten. Trotz dieser Skepsis und Unsicherheit steige ich immer wieder in den Bus, in die Bim oder in die U-Bahn. Somit vertraue ich dem Lenker. Ebenso überquere ich den Zebrastreifen im Vertrauen darauf, dass man sich an Regeln hält. Eltern vertrauen meistens den Lehrern in den Schulen, Vorgesetzen, Arbeitskollegen, ich als Patient den Diagnostikern, obwohl wir (ich) im Grunde wissen, wie schnell wir diesbezüglich enttäuscht werden können.
Zu Beginn der Coronakrise hat mir eine Kindergartenpädagogin in meiner Hausanlage die Zeichnung eines ihrer Schützlinge gezeigt. In großen Buchstaben konnte ich darauf lesen: „Man muss mit allem rechnen. Auch mit dem Guten!“ In Hinblick auf die Pandemie hat dieser Satz auf mich wie ein Wundermittel gewirkt. Der Satz eines Kindes gegen die Angst der Erwachsenen! Es ist ein Kind, das als Lehrmeister des Lebens den Erwachsenen Perspektiven des Vertrauens und der Hoffnung eröffnet. Sehr lange und sehr oft habe ich schon über diese wenigen Worte nachgedacht. Oder über den von mir so geschätzten Dietrich Bonhoeffer, der vier Monate vor seiner Hinrichtung seiner Verlobten aus dem Gefängnis der Gestapo die folgenden berühmten letzten Zeilen seines Gedichtes schreibt:
“Von guten Mächten, wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag“.
Ein solches Vertrauen ist wohl für mich, wenn auch die unwahrscheinlichste, so doch höchste Form der Zuversicht, die ich als Mensch finden kann. Eine innere Kraft, die sich jeder Argumentation entzieht, aber dort, wo sie gelebt und erfahrbar wird, durch nichts zu erschüttern ist. Solches Vertrauen kann auch bedeuten, dass ein Mensch sich in andere Hände begibt und aufhört, alles selbst schaffen und beherrschen und kontrollieren zu wollen. In meiner Ministrantenzeit habe ich öfter den von Bach vertonten Text gesummt.
“Wer nur den lieben Gott lässt walten und hofft auf ihn allerzeit, wer auf Gott vertraut, der hat auf keinen Sand gebaut“.
© Hermann Exenberger 2021-07-17