Mann

Souhaila El Mayati

von Souhaila El Mayati

Story

Die Überspitzung dieser Tragödie fand während meiner Abwesenheit statt. Ich war auf Geschäftsreise über das verlängerte Wochenende ins Ausland geflogen. Ich habe meine Schwiegermutter von den Umständen ihrer Tochter unterrichtet, aber wie man es von Leuten aus der Arbeiterklasse kennt, glaubte sie nicht an solche psychischen Missstände. Ich wäre gerne bei meiner Frau geblieben, aber die Reise beinhaltete wichtige Korrespondenzen zwischen unserer Firma und einem potenziellen Kunden. Es bestand keine andere Möglichkeit. Hätte ich sonst die Chance auf einen Platz im globalen Markt für uns vergeuden sollen? Ich denke, im Sinne der Firma und auch meiner Familie habe ich richtig gehandelt. Die neue Wohnung ist schließlich sehr teuer und meine Frau hat noch keine Anstellung gefunden, obwohl ich ja bezweifle, dass sie sich weiterhin bewirbt. Ich versuchte, sie von einem Teilzeitjob in einem Café zu überzeugen, nicht weit von einer großen Redaktion hier in der Stadt entfernt. Wenn wir mal ehrlich sind, Herr Offizier, in ihrem Zustand, dass bislang noch kein Heilungsprozess verspricht, kann sie keinen richtigen Job ausführen. Es ist zwar schade, dass ihr Studium vergeudet ist, aber was soll man machen. So läuft das im Leben. Falls wir uns unseren Kinderwunsch erfüllen, dann wird sie nach der Geburt für mindestens drei weitere Jahre zu Hause bleiben – wenn dann nicht schon ein weiteres Kind auf dem Weg ist. Sich jetzt noch die Mühe zu machen, ist, und ich denke, ich spreche für viele Menschen, ein sinnloses Unterfangen.

Ich bin also nach meiner Reise heimgekehrt, und bereits im Flur erging mir der fiese Geruch von Fäulnis nicht. Ich dachte zuerst, die Katze der Nachbarn hat wieder eine Maus gejagt und ihren Kadaver irgendwo im Haus versteckt. Aber je näher ich meiner Wohnung kam, desto bissiger wurde der Gestank. Ich hielt mir einen Ă„rmel vor die Nase und als ich die TĂĽr aufschloss, wurde der erschreckende Gedanke tatsächlich bestätigt: Er kam aus meiner eigenen Wohnung! Die TĂĽr lieĂź sich nicht ohne Gewalt öffnen. Leider zog ich sie scheinbar etwas zu stark auf, denn ich traf meine Frau, die hinter der TĂĽr stand und sie fiel zu Boden. Ich bin sofort zu ihr. Ihre Augen waren rot unterlaufen und ihr Haar klebte vor Dreck und Fett an meinen Händen. Sie waren kurz geschnitten. Ich dachte, sie bekommt keine Luft, also startete ich eine Wiederbelebung. Da muss man viel Kraft einsetzen – das muss ich Ihnen ja nicht erklären – und dabei sind wohl einige Rippen gebrochen. Aber ich musste doch ihr Leben retten! Das war das Wichtigste in diesem Moment. Aufgrund ihrer psychischen Störung ist sie so zerbrechlich geworden, da hätte nur eine BerĂĽhrung ihres Knöchels es gebrochen. Sie hatte bestimmt seit meiner Abfahrt nicht mehr gegessen oder sich gewaschen. Es tut mir im Herzen weh, sie so zu sehen. Ich hoffe, sie sehen meine Aufrichtigkeit und verstehen mich – von Ehemann zu Ehemann.

– Bericht des Angeklagten, Anklagegrund: häusliche Gewalt

© Souhaila El Mayati 2022-07-29

Hashtags