von Michael Miller
Sein SchÀdel brummt. Verdammt, letzte Nacht zu viel gesoffen. Dem lockenden Ruf der Bars im Frankfurter Nordend kann sich keiner entziehen. Es hÀtte auch Berlin, Paris oder Wien sein können. Manchmal saugen dich Orte auf und spucken dich wieder aus.
Er wankt in die KĂŒche, um sich eine groĂe Kanne Kaffee aufzubrĂŒhen. WĂ€hrend er zerstreut vor sich hinstarrt und ungeduldig auf die schwarze Erlösung wartet, ziehen Gedankenschleifen durch seinen Kopf: Waren auch schrĂ€ge Typen in der Bar. Stierblicke. Der dicke Glatzkopf am hinteren Tisch, geradezu unheimlich. Eine attraktive Frau hat den Laden ziemlich aufgemischt. Sie zog uns alle in ihren Bann. Er fĂŒhlt sich schwach, unfĂ€hig einen wirklich klaren Gedanken zu fassen. Das Bett ruft ihn erneut. Vier Stunden spĂ€ter und nach dem dritten Kaffee schiebt er gebrauchtes Geschirr auf dem groĂen Weichholztisch in der KĂŒche zur Seite. Einen Stapel BĂŒcher und Papiere legt er vorsichtig auf den Boden. Er klappt seinen Laptop auf, zĂŒndet sich eine neue Zigarette an. GebĂŒndelter Geist lenkt seine Finger ĂŒber die Tastatur:
MĂ€nnererfahrung in der Bar
Mein Gott
Bist du schön
blendest alle – DU
unversöhnte Tochter mit der unsichtbaren
Wunde, tiefe Seeleneinschnitte und die
Stier-Typen reiben sich reihenweiseÂ
aufgeregt die Mitte
Zappas Hymne auf den amerikanischen Traum
feiert fröhliche Auferstehung
anscheinend ĂŒberall
Du pokerst mit deinem unwiderstehlichen
Tauschwert, zeichnest Kurven in die Luft
fĂŒllst den Raum – Bierdunst, ungestillte
Phantasien steigen auf
Du bist die Heldin, Heilige und Hure der Nacht
angebetet, von MĂ€nnerblicken abgetastet
meistbietend verkaufst du deine Liebe
stachelst aufschÀumende Leidenschaften an
âŠÂ und der dicke Glatzkopf, geldgeschwĂ€ngert
hinten in der Ecke sitzend
sahnt abÂ
schleppt die Illusion nach drauĂen
in die funkelnde Nacht
© Michael Miller 2023-11-19