von Silvia Peiker
Eigentlich hatten wir immer ganz gewöhnliche Haustiere wie Degus, Hasen, Hunde oder Katzen. Aber eines Tages gesellte sich klammheimlich ein selbstbewusster Marder aus dem nahen Wäldchen zu dem illustren Reigen unserer großen und kleinen Vierbeiner.
Wie wir es bemerkt haben? Unseren Naturrasen zierten plötzlich eklige Häufchen. Diese hätten auch auf die Nachbarskatze hindeuten können, aber sie waren mit Holunder- bzw. Vogelbeeren garniert, und Früchte zählen schließlich zur Nahrung der nachtaktiven Raubtiere.
Unser neues Familienmitglied machte auch bald dem unrühmlichen Ruf seiner Artgenossen alle Ehre, indem er am Benzinschlauch unseres damaligen Gefährts knabberte, was bei einer Kontrolle in der Werkstatt repariert werden musste.
Bei aller Liebe, aber jetzt musste eine Marderabwehr her! Zuerst versuchten wir es mit angeblich erprobten Hausmitteln, wie mit dem Verstreuen von abgeschnittenem Haar rund ums Auto, da das nachtaktive Tier den Geruch von Menschen ja angeblich meidet. Unser Abstellplatz sah jetzt so aus, als hätte ein Friseur auf der Walz dort sein Studio aufgeschlagen. Den Marder störten die Haarbüschel jedenfalls nicht, er hinterließ nach wie vor seine schmierigen Pfotenabdrücke, wenn er fröhlich über Heck- und Windschutzscheibe schlitterte.
Nun musste eine Marderabschreckfalle her! Diese funktionierte mit Ultraschall, dessen hohe Frequenz lediglich unsere Kinder abschreckte, die sich vor und nach jeder Autofahrt erbost die Ohren zuhielten. Der Marder nahm jedenfalls scheinbar unberührt keine Notiz davon und hauste vergnügt weiter in unserem Garten. Der nächste Versuch mit dem Auslegen von Mottenkugeln vertrieb zwar etwaige Nachtfalter, aber nicht das scheue Tier, das sich tagsüber kaum blicken ließ. Ein angeblich weiteres probates Mittel, das Versprühen von Urin, war keine Option, denn wir wollten unseren Garten ja nicht in eine Bedürfnisanstalt verwandeln. Schließlich streckten wir die unnützen Waffen und freundeten uns damit an, ein recht ungewöhnliches Haustier zu beherbergen.
Unser Marder wurde dann sogar so zutraulich, dass er sich hin und wieder zu nächtlicher Stunde zeigte. Eines Nachts, meine theaterbegeisterte Freundin Karin und ich waren gerade vom Englischen Theater heimgekehrt, wo uns eine fantastische Katharina Stemberger in Agatha Christies Stück Witness for the prosecution in ihren eiskalten Bann gezogen hatte. Angeregt plauderten wir noch in Karins dunklem Peugeot über den skurrilen Mord, als plötzlich der Marder aus dem nahen Wäldchen erschien, mit einem Satz auf die noch warme Motorhaube sprang und uns mit leuchtenden Augen durch die Windschutzscheibe anblitzte, als würde er uns sagen wollen: Sperrstunde!
Karin stammelte erschrocken: Ihr habt ja ungewöhnliche Haustiere.
In der Tat, denn nach ein paar Schrecksekunden unsererseits hüpfte er elegant auf den Gehsteig, um wie der Blitz hinter unserem Gartenzaun zu verschwinden.
© Silvia Peiker 2020-09-30