von Franz Kellner
Ja, weil es heute so gut ging und ich von meinem Ghostwriter hörte, dass ich bereits genug Geschichten für das zweite Buch geschrieben hatte, geht es ungebremst weiter. Nun übernahm ich vom Herr Brandstetter, von der Hausverwaltung, den Hausbesorger Posten. Eine riesige Aufgabe. Da ich ja in erster Linie eine Partei in diesem Haus war. Ich nahm meine Aufgabe sehr ernst. Ich wollte mich eigentlich nur anmelden, damit ich nach meinem Karenzjahr wieder eine Krankenversicherung hatte. Aber wie ich erfuhr, wie es damals bereits um unser Haus stand und was sich da hinter unserem Rücken alles abgespielt hatte, war ich erst einmal richtig froh, dass ich das alles noch rechtzeitig erfuhr.
Nur damit ihr versteht, worum es damals ging, muss ich etwas dazu erklären: Dieses Haus gehörte einer alten Frau, die leider starb. Aber sie lebte alleine und hatte in den letzten Jahren ein polnisches Ehepaar, welches ihre Pflege übernahm. Das Ehepaar war sehr nett, fleißig und auch sehr freundlich. Deswegen hinterließ sie ihnen, aus Dankbarkeit, das ganze dreistöckige Haus, mit insgesamt vier Stiegen und jeweils drei Stöcken, als Erbe. Aber was soll ein polnisches Ehepaar mit einem Haus in Wien schon viel machen? Dreimal dürft ihr raten. Sie wollten es natürlich verkaufen. Leider oder vielleicht Gott sei Dank, spielte sich das alles still und leise hinter unserem Rücken ab. Es gab sogar schon einen Käufer. Da im Nebenhaus nur mehr ein paar Mieter wohnten und sie denen eine angemessene Ablöse versprachen, damit sie so bald wie möglich auszogen, stand einem Verkauf nichts mehr entgegen. Zum Glück erfuhr ich alles noch rechtzeitig.
Ich kannte einen Herrn Doleschal, den ich zum Vertrauensmann machte und der mit mir eine Mieterversammlung im Gasthaus Wild am Radetzkyplatz, einberief. Alle 32 Mieter aus unserem Haus kamen. Wir erklärten ihnen, dass das polnische Ehepaar vorhatte, die beiden, nebeneinander stehenden Häuser, abreißen zu lassen und dort sollte ein großer Bau entstehen. Zusammen mit Herrn Doleschal erklärte ich den Parteien, dass wir neue Steigleitungen und neue Leitungen für Wasser, Strom und Gas brauchten. Dafür half uns Herr Brandstetter, unser lieber Hausverwalter.
Die Mieter bezahlten einen höheren Zins, wegen des Kredites, welchen die Hausverwaltung fürs Haus aufnahm. Ich ging monatlich mit einem Zinsbuch, von einer Partei zur anderen, um die Mieten zu kassieren. Weil aber die bisherigen Renovierungen noch zu wenig waren, redeten wir den Mietern zu, sich Kunststofffenster machen zu lassen. Mindestens 20 Mieter ließen sich, über die gleiche Firma, neue Fenster machen, mit einem Kredit bis zu 10 Jahren. Da unsere Hausfrau, solange sie lebte, nicht viel reparieren ließ, waren alle Gangfenster in schlechtem Zustand. Überall fehlte der Lack. Ich ließ von einer Firma alle 24 Gangfenster neu lackieren. Danach legten wir, in Eigenregie, auf allen 12 Gängen, neue Fliesen. Ein junger Mann, welcher mit seiner Frau hier wohnte und Fliesenleger war, tat dies. Er machte auch unter den Fliesen einen neuen Estrich. Da wir aber diese Arbeit nicht mehr über die Hausverwaltung bezahlt bekamen, ging ich monatlich zu jeder Partei und bekam von jeder Partei 100 Schilling. Solange, bis wir alles abbezahlt hatten. Aufgrund des Kredites, welcher über 10 Jahre mehrere 100.000 Schilling ausmachte, konnte die neue Hausfrau unser Haus nicht mehr verkaufen.
Foto: Haus in Löwengasse 2B, Wien
© Franz Kellner 2025-05-24