von Franz Kellner
Man schickte mich auch noch zum Oberarzt Dozent Dr. Friedrich ins Allgemeine Krankenhaus (kurz: AKH). Dieser war dort Leiter der Neurologie. Mein Hausarzt erklärte mir das damals, dass Angelika die meiste Zeit ganz normal ist. Aber immer, wenn es zu einem gewissen Punkt kommt, dreht sie durch. Das erklärte mir aber auch, warum sie bereits die ganze Zeit davor, immer wieder so garstig zu mir war. Mit einem Wort himmelhoch jauchzend und dann zu Tode betrübt. Beim Denken an die Vergangenheit wurde mir bewusst, dass sie ja immer so war, aber leider konnte ich damit nichts anfangen. Der Arzt sagte mir, dass so etwas höchstwahrscheinlich bereits angeboren ist. Da begriff ich zum ersten Mal, warum sie bereits von Geburt an, immer etwas anders war. Nur leider hat mir manisch-depressiv nicht wirklich etwas gesagt. Sie bekam verschiedene Tabletten mit verschiedenen Farben. Da sie aber meistens etwas später in die Schule ging, wie ich in meine Arbeit, fragte ich sie jeden Tag, bevor ich wegging: ,,Schatzl, hast du deine Pulver genommen.“ Sie antwortete jeden Tag mit „Ja“. Irgendwie kamen wir uns doch wieder näher.
Aber als ich sie dann eines Morgens aufwecken wollte und sie nicht wach bekam, rief ich meinen Hausarzt an, welcher mir riet, so schnell wie möglich, die Rettung anzurufen. Weil sie ihr wahrscheinlich den Magen auspumpen müssten. In der Rettung sagte ich immer wieder zu ihr, dass ich sie unsagbar liebte und dass sie bei mir bleiben soll. Sie brachten Angelika dann ins Spital nach Steinhof. Dort war sie mit 24 anderen Mädchen in einem Zimmer.
Ihr wurde dann auch wirklich der Magen ausgepumpt. Nachher sagte sie, dass das ganz fürchterlich war. Ich besuchte sie bereits ein paar Tage später im Spital, aber sie schaute mich gar nicht richtig an und redete auch nichts mit mir. Nach 14 Tagen nahm ich sie auf Revers wieder mit nach Hause. Allerdings sagten mir die Ärzte, dass Angelika ihnen anvertraut hatte, dass sie eigentlich gar nicht mehr leben will. Der Arzt sagte mir damals, dass leider die Gefahr bestand, dass sich das Ganze wiederholte. Mein weiteres Leben bestand nur noch aus Angst. Ich ließ mir Beruhigungstabletten vom Arzt verschreiben, weil meine Nerven ruiniert waren. Egal was ich zu Angelika sagte, es war alles nicht gut. Sie provozierte so oft es nur ging. Eines Abends wollte ich mir eine Tablette nehmen. Aber es waren alle samt der Schachtel nicht mehr da. Ich rief sie an, weil ich wusste, wo sie war. Da sagte sie, dass sie nicht mehr nach Hause zurückkommen wird, irgendwer wird sie schon finden. So ging das monatelang. Egal was ich zu ihr sagte, es war ihr nichts recht.
Zum Glück kannte sie damals bereits den Markus. Sie sagte, dass er sie unsagbar viel liebte. Ich sprach auch mit ihm und sagte ihm, dass Angelika manisch-depressiv sei und sehr viel Liebe brauchte. Er meinte, dass er sie sehr lieb hat, aber dass sie sehr besitzergreifend sei. Er fühlte sich noch zu jung, um sich auf immer und ewig zu binden. Angelika fuhr sogar im Juli mit ihm mit dem Moped nach Italien. Sie erzählte mir, dass Markus genauso wie ihr Papa sei. Weil, wenn Dagmar bei ihr war und sie in ihrem Zimmer Aufgaben machte, dann schmuste er mit Dagmar im Wohnzimmer. Trotzdem war es, nach ihrem Urlaub in Italien, um vieles besser. Da glaubten wir alle, dass Markus ihr hilft. Angelika hatte auch keine Vorfälle mehr.
Foto: Angelika + Markus in Italien
© Franz Kellner 2025-06-19