von Franz Kellner
Mir fiel nun sogar ein bisschen Lustiges ein. Leo hatte ein Motorrad, eine Puch 125. Damit machte er sich immer sehr wichtig. Aber ich hasste das Motorrad. Als ich das erste Mal mitfuhr, hielt ich mich ziemlich fest bei ihm an, weil ich Angst hatte. Einmal fuhren wir auf der Hütteldorfer Straße und ich verlor einen Stöckelschuh. Es war bereits ziemlich spät und ich schrie ganz laut, dass er stehen bleiben soll. Aber es dauerte ziemlich lange, bis er begriff. Dann fuhren wir zurück, um den Schuh von der Straße zu holen. Dann erzählte er immer, dass er glaubte, dass sein Gepäckträger locker sei. Dabei ist das seine ängstliche Freundin Maria gewesen, die so gescheppert hat. Er legte sich immer bei Kurven so stark hinein, dass ich immer Angst hatte, dass wir einmal umfallen werden. Es bereitete ihm bereits damals schon riesige Freude, wenn er sah, dass ich mich fürchtete.
Kurz nach unserer Hochzeit, zu Ostern, fuhren wir auf den Ötscher. Wo wir uns mit seinen Freunden trafen. Aber auf dem Weg dorthin begann es in Eichgraben zu regnen. Da war von einer Baustelle viel Lehm, von einem Lastauto, auf der Straße. Nur legte sich Leo wieder bei der Kurve so stark schräg hinein, dass wir ausrutschten und mitten auf der Straße lagen. Ganz vorne das Motorrad, dann zwei Meter danach lag Leo und noch einmal zwei Meter danach kam ich zum Liegen. Weil ich ein paar Meter weiter schlitterte, war mein Oberschenkel stark auf geschunden. Da kamen aus den Häusern, sehr nette, hilfsbereite Menschen heraus, welche mir auf den Oberschenkel, ein großes Pflaster klebten. Nachdem wir uns etwas wuschen und den Dreck entfernten, fuhren wir weiter.
Weil es aber so stark schüttete, übernachteten wir in einem Hotel. Als ich in der Früh aufwachte, war das ganze Leintuch voller, getupfter Blutflecken. Weil ja in dem Pflaster kleine Löcher waren. Ich schämte mich fürchterlich und nach dem wir gezahlt hatten, fuhren wir sogar ohne Frühstück weiter. Frühstück hatten wir dann erst im Hotel Annaberg. Ich hatte auch ein ganz hässliches blaues Auge, weil ich auch auf die Stirn gefallen war. Nach dem Frühstück gingen die Männer auf den Ötscher hinauf und ich saß mit deren Frauen den ganzen Tag im Hotel und wartete.
Ich spürte erst am nächsten Tag die Schmerzen so richtig. Als ich dann wieder arbeiten ging, in der Fa. Gazelle in der Produktion, haben sich alle das Maul zerrissen und meinten, dass mich mein Mann zu Ostern schlug, weil mein Auge dunkelblau war.
Bald, nachdem wir vom Ötscher nach Hause gekommen waren, hat er sein Motorrad komplett zerlegt und trug alle einzelnen Teile in die Wohnung, um sie zu reinigen. Aber wie er dann wieder alles zusammensetzte, blieben etliche Teile über. Aber das Motorrad fuhr trotzdem. Nur weil ich mich weigerte, noch einmal mitzufahren, meinte er, dass ich feige war. Zum Glück bekamen wir bald ein Auto. Er hatte ja nur den Führerschein für das Motorrad, aber die Prüfung für den Autoführerschein bestand er gleich. Kurz darauf verkaufte er das Motorrad. Sogar ohne die Teile, welche ihm über geblieben waren.
Foto von Unplash
© Franz Kellner 2025-04-27