Marie und Leo – Renovierung + Unfall

Franz Kellner

von Franz Kellner

Story
Wien – Österreich

Ihr denkt vielleicht, aber jetzt muss bald Schluss sein. Denkste. Weil der Estrich sehr kalt war, legten wir in der Küche billige, graugrüne Teppichfilzfliesen vom Bauhaus darauf. Für das Wohnzimmer leisteten wir uns aber einen Parkettboden, auch vom Bauhaus. Wir verlegten ihn aber selbst. Mein Mann erklärte mir alles ganz genau. Damit ich, weil ich ja mehr als er zu Hause war, dann alleine weitermachen konnte. Aber wehe, es war nicht schön genug. Dann wurde ich statt gelobt, geschimpft. Aber so lernte ich alles brav. Mit dem Tapezieren warteten wir, bis die neu verputzten Wände richtig ausgetrocknet waren. Somit war die Wohnung so weit wie möglich fertig. Allerdings fehlten noch Möbel. Wir hatten zwar ein paar alte Möbel, welche wir von allen möglichen Leuten geschenkt bekamen. Aber wir beschlossen dann, unsere Möbel selbst zu machen. So wurde vorübergehend aus unserer Wohnung, eine Tischlerei. Weil die meisten fertigen Möbeln größenmäßig nicht passten.
Deswegen machten wir überall Einbaumöbel. Im Schlafzimmer, über die ganze Rückwand bauten wir einen großen Einbaukasten. Damals gab es noch keine Fertigteilmöbel. Da kauften wir große Novopan Platten vom Bauhaus und noch Max Platten in verschiedenen Farben dazu. Auf einem Tapezierer Tisch liegend, schnitten wir alle Platten auf die richtige Größe zu. Danach verklebten wir sie. So fertigten wir Möbel für Schlafzimmer, Wohnzimmer und Vorzimmer selbst. Wir dachten, jetzt ist erst einmal alles fertig.
Doch dann traf mich 1964 ein neuer Schock. Wie ich bereits vor meiner Hochzeit erwähnte, meldete sich mein Vater nicht mehr bei mir, weil ich vom römisch-katholischen Glauben austrat. Aber eines Tages kam meine Mutter weinend zu mir und erzählte, dass ein Autofahrer meinen Vater am Abend, wie er zu seiner Dienststelle von der Wach- und Schließgesellschaft fuhr, überfuhr. Mehr tot als lebendig brachte man ihn ins Unfallspital. Er hatte ein Schädel-Hirn-Trauma und sieben gebrochene Rippen. Sechs bohrten sich in die Lunge. Beide Nieren waren gequetscht. Zwanzig Tage lager er unter einem Sauerstoff Zelt und wurde künstlich beatmet. Am 21. Tag brachte ihn die Rettung nach Hause und legten ihn Mama ins Bett. Das veranlasste der Autofahrer. Wäre er länger als 21 Tage im Sauerstoff Zelt gelegen, hätte der Autofahrer für ihn viel Geld bezahlen müssen. Er sagte, dass mein Vater ohne ein Zeichen abbog. Aber der Autofahrer überholte ihm, obwohl er bereits in der Abbiegespur stand. Da hätte der Autofahrer nicht mehr geradeaus fahren dürfen. Aber bei der Verhandlung leistete sich, der Autofahrer natürlich einen guten Anwalt. Ich arbeitete damals und erfuhr viel später wie sich das ganze ereignete. Ich erinnerte mich nicht, dass mein Vater jemals krank war. Aber seit dem Unfall war er nur mehr krank. Er hatte starke Probleme mit dem Atmen, weil seine Lunge sehr beschädigt war. Dann bekam er jede Menge Nierensteine, welche wahnsinnig weh taten. Weil er es in Wien nicht mehr aushielt, wollte er wieder zurück nach Kautzen. Er fand ein altes Haus, welches leer stand und nahm es auf Leibrente, was 500 Schilling im Monat kostete. Das war 1966 sehr viel Geld. Da wir mit unserer Wohnung ziemlich fertig waren, halfen wir ihm bei der Übersiedelung. Wir kauften unser erstes Auto, einen alten Opel Caravan und besuchten sie so oft als möglich. Obwohl meine drei Brüdern noch lebten, waren wir die einzigen, die immer da waren, wenn Not am Mann war. Bild: Vater’s Haus in Kautzen

© Franz Kellner 2025-04-29

Genres
Biografien
Stimmung
Herausfordernd, Traurig, Angespannt
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