von Franz Kellner
Nun komme ich wieder zurück zum 11. Oktober. Trotz Verspätung war es ein lustiger Nachmittag. Er begleitete mich auch an diesem Abend wieder bis zu meinem Haustor und wartete an der Ecke, um zu sehen, ob vielleicht irgendwo ein Licht aufgedreht würde. Aber meine Eltern schliefen bereits und ich schlich mich ganz leise ins Zimmer, um in mein Bett zu gehen. Es dauerte noch lange, bis ich einschlief. Leider ist er heute in meiner Erinnerung, nicht mehr das, was er damals war. Nur damals spürte ich zum ersten Mal viele Schmetterlinge in meinem Bauch. Um es richtig auszudrücken, ich verliebte mich bis über beide Ohren. Am Anfang war es erst einmal nur schön. Wir trafen uns fast jeden Tag nach der Arbeit und spazierten Hand in Hand. Weil mehr war ja zu dieser Zeit nicht möglich. Er wohnte noch bei seinen Eltern in der Thalhaimergasse im 16. Bezirk.
Wie erwähnt, wohnte ich noch in der Kuefsteingasse, zusammen mit Bruder Otto und Eltern. Mein Vater arbeitete zu dieser Zeit bei der Wach- und Schließgesellschaft im 9. Bezirk. Er arbeitete fast immer nur in der Nacht. Meistens, wenn er in der Früh nach Hause kam, ging ich fort zum Arbeiten.
Meine Arbeitskolleginnen merkten auch bald, dass mit der Marie etwas anders war. Aber ich verriet ihnen nicht was passiert war. Es sollte ja unser Geheimnis bleiben. Ich freute mich aber meistens bereits zu Mittag. Wir wohnten ziemlich genau fünfhundert Meter auseinander. Auch wenn wir uns nicht ausmachten, dass wir uns treffen, gingen wir, wenn wir nach Hause kamen, kurz darauf los und trafen uns fast immer auf halbem Weg, in der Possingergasse. Unter der Woche hatten wir nicht sehr lange Zeit, aber es reichte uns schon, wenn wir uns nur kurz sahen. Heute weiß ich wie schön es ist, wenn man Schmetterlinge im Bauch hat und so richtig romantisch verliebt ist. Es dauerte auch ein paar Wochen, bis ich mit ihm in seine Wohnung mitging. Er überredete mich damals nur mit einer Lüge, nämlich, dass seine Eltern zu Hause sind und mit Kaffee und Kuchen auf mich warten würden, weil sie mich gerne kennenlernen möchten. Nur wie wir dann in die Wohnung kamen, war keiner mehr da. Da meinte er dann, dass sie, weil sie sich am Samstag immer mit ihren Freunden treffen, schon weggegangen sind. Da bekam ich es erst einmal mit der Angst zu tun. Aber er war sehr lieb und zärtlich zu mir. Er zeigte mir wie schön Liebe in Wirklichkeit ist. Obwohl ich ja schon einmal mit Christian verlobt war, welcher meinte, dass es besser war, wenn ich noch nicht auf den Geschmack käme.
Da war ich erst einmal froh, weil mein Schatz war wirklich, was Liebe betraf, ein besonderer Mann. Er sagte mir später, dass, als er sechzehn Jahre alt war, eine Frau, welche um einiges älter war, kannte, welche ihm alles beibrachte, worauf es in der Liebe ankommt und was eine Frau gerne hat. Mit einem Wort der perfekte Mann. Vor allem reizte es ihm, dass er so lange brauchte, bis er mich so weit hatte, bis ich mit ihm intim wurde. Ein paar Wochen später stellte er mich seinen Eltern vor. Er sagte damals zu seinen Eltern, dass ich die erste Frau wäre, von der er sich vorstellen konnte, sie zu heiraten, weil sie nicht gleich mit jeden den sie kennenlernte, ins Bett ging. Es dauerte nicht lange, bis ich zu ihm und seinen Eltern in eine Zimmer-Küche-Wohnung zog. Seine Mutter hieß auch Maria und sie liebte mich vom ersten Tag an. Sie war eigentlich vom ersten Tag an meine liebe Mama.
© Franz Kellner 2025-04-14