von Lara Gratzfeld
Ich kann nicht mehr. Ein Satz, der so viel aussagt. Vier Wörter, die so voller Schmerzen sind. 16 Buchstaben, die zeigen, was eine Person durchmachen muss.
Ich fühle mich gefangen. Gefangen in meinem Leben. In meinem Leben, das irgendwie nicht meins ist. Ein Leben, das sich so fremd anfühlt. Ich will Leben, frei sein und „Ich“ sein. Nie was bereuen und mich nie verstellen müssen. Aber ich kann nicht. Ich kann das Leben, das ich führen möchte, nicht führen. Ich darf es nicht.
Ich muss so sein, wie es jeder von mir verlangt. Ich muss mich an allen anderen anpassen und jemand sein, der ich nicht bin. Der ich nicht sein möchte. Ich muss perfekt sein, aber auch nicht zu perfekt, damit ich nicht angeberisch wirke. Ich darf keine Fehler machen, da Fehler einen nicht gut darstellen. Aber Fehler zu machen, ist menschlich. Und doch dürfen wir sie nicht machen.
Ich darf keine andere Meinung haben und ständig allem nur zu stimmen. Ich darf nicht meine Stimme erheben, um für meine Meinung einzutreten. Ich soll einfach nur dastehen und niemanden zeigen, was ich für ein loses Mundwerk habe. Denn dadurch wirke ich nicht mehr perfekt. Ich soll so tun, als wäre alles in Ordnung, auch wenn es nicht so ist. Schwäche zeigen darf ich niemals, denn das macht einen angreifbar.
Ich bin eine Marionette für die Gesellschaft. Doch das will ich nicht sein. Das bin ich nicht. Ich werde eingeengt, klein gehalten und unterdrückt. Von allen Seiten wird mir zugeredet, wie ich sein soll und was ich nicht machen darf. Ich bekomme kaum noch Luft. Alles wird zu viel. Es fühlt sich an, als würden alle über mich laufen und mich platt treten. Als würden sie den letzten Atemzug von mir versuchen zu ersticken. Ich will raus hier, aber schaffe es nicht von der Stelle loszukommen. Die Gesellschaft hält mich an einem Punkt fest. Wie Hände, die sich an mir festkrallen. Nägel, die Spuren in meinem Herzen hinterlassen. Wunden, die nur verblassen, aber nie weggehen.
Ich will weg hier. Will an einen Ort, wo alles okay ist. Wo ich „Ich“ sein kann. Ich will Leben. Aber das wird nie gehen. Niemals. Und ich kann einfach nicht mehr. Ich will kein Leben, das sich so anfühlt, leben. Ich schaffe das nicht. Ich hasse die Version von mir, die ich vorgebe zu sein.
© Lara Gratzfeld 2023-08-29