Mastermind

Johanna Buchholz

von Johanna Buchholz

Story

Wir trafen uns an diesem Abend, das erste Mal. Zumindest dachte er das. Der Sternenhimmel war klar und eine kĂŒhle Nacht streifte um unsere Arme. Er im Anzug und ich in einem wunderschönen Bodenlangen Kleid. Meine Hand streifte versehentlich seine und er ĂŒberließ mir das letzte WĂŒrstchen im Schlafrock. Eine perfekte Nacht. Er wĂŒrde niemals erfahren, dass ich ihn nicht zum ersten Mal sah., dass es keine zufĂ€llige Begegnung war, dass die Sterne sich nicht fĂŒr uns ausgerichtet hatten und, dass ich wusste, dass er im Raum stehen und mich sehen wĂŒrde. Er wĂŒrde auch nie erfahren, dass unsere Begegnung kein Zufall war und ich schon lĂ€nger ein Auge auf ihn geworfen hatte.

Ich hatte gut recherchiert und wusste genau, wann er wo sein wĂŒrde. Manche wĂŒrden es als es Stalking bezeichnen. Doch es war nicht so. Wir waren im gleichen Kurs an der Uni und er war mir schon am ersten Tag aufgefallen. Vielleicht hatte ich mir seinen Namen gemerkt, als er bei einer Gruppenarbeit fiel. Vielleicht hatte ich danach mehrere Stunden damit verbracht seinen Instagram-Account zu finden. Ja, vielleicht folgte ich ihm auch mit einem meiner Fake-Accounts. Aber es war kein Stalking und keine Obsession. Niemals wĂŒrde ich mich vor seine Wohnung stellen, ich wusste auch nicht, wo er wohnte. Alles, was ich wusste, war was er auf Instagram teilte.

Als er diese Story postete von einem Studentenball, zu dem er gerade Karten gekauft hatte, waren meine Finger nie schneller. Ich hatte es geschafft, mir eine Karte zu besorgen. Dort wĂŒrde ich die Chance haben, seine Aufmerksamkeit zu gewinnen.
Seine Lieblingsfarbe war dunkelblau, das hatte er mal erwĂ€hnt, also suchte ich mir ein wunderschönes Ballkleid in dunklem Blau mit Glitzerpartikeln, die das Kleid aussehen ließen, wie der Nachthimmel höchstpersönlich und mich wie die Königin der Nacht.

Es hatte funktioniert, er hatte mir seinen Instagram-Namen gegeben und ich konnte ihm endlich mit meinem richtigen Account folgen. Kein Versteckspiel mehr, er sah mich endlich. Ihm war immer noch nicht aufgefallen, dass wir im gleichen Kurs saßen, auf jeden Fall bemerkte er mich in den letzten Reihen nicht. Aber das war okay. Nach unserem dritten Date gab er mir einen Gutenachtkuss. Dann lĂ€chelte er und in meiner Brust pulsierte das Blut. „Wann möchtest du mir eigentlich mit deinem Fake-Account entfolgen?“, mein LĂ€cheln verschwand doch seins wurde breiter. Er drehte sich um. Mein Herz rutschte mir in die Hose, wĂ€hrend er mir beim Fortgehen einen amĂŒsierten Blick zuwarf. Er wusste es die ganze Zeit.

Entgegen meiner Erwartungen schrieb er mir noch am Abend. ‚Es war ja ein geschickter Schachzug, aber du dachtest doch nicht wirklich, dass du mir nicht schon in der Uni aufgefallen bist?‘. Ich dachte wirklich ich wĂ€re ein Mastermind gewesen, dabei hatte er nur belustigt auf meinen nĂ€chsten Schachzug gewartet. Er war hier das wahre Genie gewesen und ich hatte trotz meiner perfekten PlĂ€ne, nach seinen Spielregeln getanzt. ‚TouchĂ©‘, antwortete ich ihm.


© Johanna Buchholz 2023-05-19

Genres
Romane & ErzÀhlungen, Humor& Satire
Stimmung
Abenteuerlich, Mysteriös
Hashtags