Mathe und der liebe Gott

Florian Hauenschild

von Florian Hauenschild

Story

Es gibt nur wenige Dinge auf dieser Welt, die mir wirklich Angst bereitet haben. Doch das Unterrichtsfach Mathematik hat eine tiefe Kerbe in meine Seele geschlagen. Noch heute, eine Ewigkeit nach meiner letzten Mathestunde, wache ich manchmal schweißgebadet auf, da ich geträumt habe, dass am kommenden Morgen eine Matheschularbeit auf mich wartet.

Woher kommt das?

Ich will ehrlich sein. Mathe liegt mir nicht. X und Y sind für mich exotische Buchstaben, die es gekonnt in einem Text zu platzieren gilt, aber nix das man berechnen muss. Schon gar nicht mit Klammern, Bruchstrichen und anderem Blödsinn.

Was in der Hauptschule noch nervige, aber machbare Pflicht war, entwickelte sich in der HAK zum gigantischen Monster, das mich mit Brüchen brach.

Unrühmliches Highlight war eine Nachprüfung im Übergang von der zweiten in die dritte Klasse. Das Monster ließ mich nun auch im Sommer nicht zur Ruhe kommen. Hätte ein Sportreporter die Geschichte beschrieben, so wäre er wohl mit dem altbekannten „Wer will es mehr?“ um die Ecke gekommen.

Und ich wollte. Wirklich. Aber es ging nicht. Wochenlang Nachhilfestunden bei geduldigen Lehrern. Meine Cousine, die sich in der Vorbereitung auf die Matura befand, versuchte mir zu helfen. Aber Niente!

Mein Holzkopf ließ nicht das kleinste Würmchen mathematischen Ursprungs in mein Hirn hinein. Da hätte selbst der liebe Gott kein Wunder vollbracht.

Dementsprechend nervös ging ich zur Prüfung, die aus zwei Teilen bestand. Der erste Teil am Vormittag war eine schriftliche Arbeit. Der zweite Teil nach dem Essen (Essen! Haha!) war mündlich an der Tafel.

Long Story short, es ging daneben. Schriftlich zwar knapp. Aber mündlich war mit Pauken, Trompeten und allem was sonst noch scheppern kann.

Mich meinem Schicksal ergebend, stand ich vorne. Meine damalige Professorin blickte noch einmal in meine schriftliche Arbeit, dann sah sie mich an. Nach einer kurzen Pause fragte sie: „Willst du in Mathe maturieren?“

Obwohl es die Situation nicht erlaubte, bekam ich einen Lachkrampf und versicherte ihr, dass ich zwar viele wahnwitzige Ideen hege, diese aber sicher nicht.

Sie nickte nur kurz, drückte beide Augen zusammen und sprach die Worte, die ich nie vergessen werde: „Dann gehe mit Gott, aber geh!“

Ich war baff. Geistesabwesend brachte ich gerade noch ein „Danke“ heraus und flüchtete so schnell ich konnte. Nicht, dass sie es sich noch einmal anders überlegt.

Auf dem Weg nach Hause grübelte ich über das nach, was gerade geschehen war. Der liebe Gott. Offensichtlich konnte er doch helfen. Meine atheistische Einstellung hatte einen festen Knacks bekommen.

Die restlichen drei Jahre in der HAK verliefen ähnlich wie die zwei davor. Angst vor jeder Mathestunde. Kaum Schlaf vor einer Schularbeit. Aber ich habe dann doch jede Kurve gekriegt, auch wenn oft viel Bankett mit dabei war.

Heute hat das alles aber doch etwas Gutes. Sollte ich mal einen Mathealbtraum haben, gehe ich danach viel lieber in die Arbeit.

© Florian Hauenschild 2019-09-02

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