Und Sie kommen dann einfach durch den Garten“, sagte die Frau aufgeregt am anderen Ende der Leitung während unseres Vorgespräches für den Heiligabend. „Liebe Frau“, warf ich ein, „es regnet schon seit Tagen und ich …“ „Nein, nein“, unterbrach mich die Frau sofort: „Es wäre wunderbar, wenn sie durch den Garten kämen und von dort aus meine Familie überraschen könnten!“ „Ich übernehme aber keine Haftung für mögliche Schäden durch den witterungsbedingten und möglicherweise von mir hereingebrachten Matsch“, sagte ich immer noch im Glauben, die Frau würde verstehen, was ich damit meinte. Das Wetter in Norddeutschland war zu dem Zeitpunkt stürmisch, regnerisch und absolut ungemütlich. Einige Felder waren bereits überschwommen. „Ach“, wimmelte sie ab. „Meine Familie wird Augen machen, wenn sie den Weihnachtsmann sieht!“ jauchzte sie weiter. Ich prustete durchs Telefon. Offensichtlich hörte mir die junge Dame am anderen Ende des Telefons nur mit einem halben Ohr zu. Ich wurde deutlicher: „Ich möchte wirklich keinen Dreck zu ihnen ins Haus bringen“, betonte ich mein Anliegen. „Ach wo“, winkte die Frau meine Sorge ab und legte hörbar auf. Meine Anmerkung bezüglich des Matsches hatte die gute Dame komplett ausgeblendet. Ihre Vorstellung von dem Weihnachtsmann, der durch den Garten in ihr Wohnzimmer hinein kommt und schließlich ihre Familie überraschte, fand sie so großartig, dass sie auf genau diese Umsetzung beharrte. Ich sah das Problem schon kommen.
Es war Heiligabend. Schon den ganzen Tag über nieselte es fies von Nordwest, sodass sich auf allen landschaftlichen Untergrundebenen innerhalb weniger Stunden große Matscheflächen bildeten. Auch unser Schlitten hatte sich aufgrund der Fahrt durch den Matsch an den Seiten farblich von Schiefergrau in einen Mix aus Herrenschokoladenbraun und Tiefbraun verfärbt. „Nass, kalt und ekelig“, brummte Manfred vom Fahrersitz aus, als wir in Richtung des Einfamilienhauses der Familie fuhren. „Ich habe es der Frau am Telefon noch gesagt“, schimpfte ich und sah dem Regen beim Aufprall gegen unsere Frontscheibe zu. Manfred zuckte mit seinen Schultern. „Ich warte dann da vorne“, sagte er als wir vor dem Haus der Familie hielten und zeigte mit dem Finger die Richtung an. Nickend machte ich die Beifahrertür auf und ging zu dem flohfarbenen Kombinationskraftwagen der Frau, der vor dem Einfamilienhaus parkte. Im Kofferraum, so hatten wir vereinbart, warteten die bunt verpackten Geschenke auf ihren Umzug in meinen Jutesack. Eilig packte ich diese um. Indes wurde der Regen immer stärker. In Windeseile zog mein tiefroter Weihnachtsmannmantel die herabfallende Flüssigkeit auf. Er wurde schwer. Sehr schwer sogar. Und nass. Richtig nass, sodass ich ihn schon auswringen konnte. Mit einem lauten Gestöhne schwang ich den randvollen Jutesack über meine Schulter und ging in Richtung Gartentor, das mich in den 1000qm großen Garten der Familie führte. (…)
© Jana-Kristen Grüner 2024-03-11