von Hannes Zeisler
Eine Maturareise ist immer ein krönender Abschluss einer erfolgreichen Ausbildung. Unsere Reise führte uns durch Österreich und Südtirol, zumindest war es so von unserem Klassenvorstand Dr.Anton F. geplant! Am 4. Juli 1955 traten wir die Fahrt vom Bahnhof St.Pölten an.
Erste Station war Linz. Dort besichtigten wir die Brauerei, die nach dem Krieg erneuert und modernisiert worden war. Ein böhmischer Braumeister hatte die Führung übernommen und ich stand immer als aufmerksamer Zuhörer in vorderster Reihe. Da begann der Führer plötzlich mit unverkennbar böhmischem Einschlag zu sprechen: “ Meine Herrn, hier sehen Sie die greßten Kiehlkeller Mitteleuropas!” Das klang so liebenswert komisch, dass die Kollegen hinter mir zu lachen begannen und ich ganz vorne mir dies aber verkneifen musste! Wir wussten natürlich, dass die Böhmen kein “ö” und kein “ü“ kennen!
Es ging weiter nach Salzburg und wir wurden mit einem typischen Salzburger Schnürlregen empfangen. Die Übernachtung in einer Jugendherberge war zwar sehr schlicht, aber einigermaßen kurzweilig, weil sich auch eine Mädchenklasse dort befand! Der Gang durch die Getreidegasse, die Besichtigung von Mozarts Geburtshaus und die Fahrt auf die Festung Hohensalzburg , die bedeutendste Wehranlage Salzburgs, waren trotz des Regens beeindruckend, auch wenn wir patschnass waren!
Die Reise führte uns weiter nach Innsbruck, auf den Berg Isel, in das Museum der Kaiserjäger mit dem berühmten Riesenrundgemälde und der Darstellung der dritten Schlacht auf dem Berg Isel gegen Napoleon. Wir machten auch einen Abstecher in die Sillschlucht, einem kleinen Naturwunder am Rande der Stadt Innsbruck. Ein Vermerk in meinen Aufzeichnungen: Tagesverbrauch 50 Schilling! Für mich und für damalige Verhältnisse nicht gerade wenig!
Als wir unsere Maturareise nach Bozen fortsetzen wollten, stellte sich leider heraus, dass unser Klassenvorstand das erforderliche Visum (damals noch nötig!) vergessen hatte. Nun hatten wir aber alle schon Schilling in Lire umgewechselt und durften in Bozen nicht aussteigen, sondern mussten warten, bis wir mit dem Korridorzug nach Lienz weiterfahren konnten. Auf dem Bahnsteig in Bozen priesen Verkäufer ihre Waren, hauptsächlich Alkoholika, an. Ich erwarb mit meinen Lire 3 Flaschen Chianti, 1 Flasche Cassiliano und 1 Flasche Ruffino (die beiden letzteren Getränke konnte ich nicht mehr eindeutig identifizieren!).
Jedenfalls hatte ich gewaltig zu schleppen, und als wir uns in Lienz mit unseren Koffern vom Bahnhof Richtung Jugendherberge begaben, riss wegen des Gewichts mein Koffergriff ab und ich transportierte den Koffer auf der Schulter weiter! Zum Glück gab es in Lienz ein Osttiroler Musikfest und ich fand den Vermerk in meinen Aufzeichnungen: viel Spaß, gute Unterkunft und hübsche Mädchen! Das ließ uns das miserable Wetter leicht in Kauf nehmen!
Trotz gewisser Hindernisse war es eine Reise, die mir bis heute in Erinnerung blieb!
© Hannes Zeisler 2022-04-10