Fuchsteufelswild bin ich. Ich hätte einen Termin mit Max, dem Personal Trainer, dem Smiley auf 2 Beinen, gehabt, aber der kam einfach nicht! Hat mich versetzt! Ich dackle aufgebracht zur Rezeption des Fitnessstudios und frag die Dame, ob sie etwas wisse. Ahnungsloses Schulterzucken. Sie müsse ihn anrufen, sagt sie und wählt die Nummer. „Du, du hast einen Termin, wo bist du denn?“, fragt sie in den Hörer. Kurze Pause, dann reicht sie mir den Hörer.
Der kann sich jetzt was anhören! Dem werd ich aber gewaltig den Marsch blasen! Dem werd ich jetzt die Leviten lesen! Kann ja nicht sein, dass der mich da einfach sitzen lässt! Sicher arbeite ich nicht mehr mit dem! Ich mobilisiere die Furie in mir. Wutschnaubend nehm ich den Hörer entgegen, geh im Kopf die zu lesenden Leviten durch und motze ein grantiges „Ja“ in den Hörer. Damit er gleich weiß, dass jetzt echt Schluss ist mit lieb und nett! Ich kann nämlich auch anders!! Am anderen Ende der Leitung eine zerknirschte Stimme. „Mah, das tut mir so leid! Echt jetzt, ich hab mir das falsch aufgeschrieben! Na, des ist ma jetzt echt unangenehm! Du bist sicher total sauer, versteh ich. Na, ich bin so ein Depp! Es tut mir so leid! Entschuldige!…“, hört er gar nicht mehr auf, sich zu entschuldigen. Das pure schlechte Gewissen schlägt mir aus dem Hörer entgegen. Ich seh ihn vor mir, mit der Hand am Kopf, vor Fassungslosigkeit weit aufgerissene Augen, weil er selbst nicht glauben kann, dass er eben einen seiner Kunden versetzt hat. Nicht gut für´s Geschäft. Immer wieder entschuldigt er sich und klingt irgendwie am Telefon wie ein Häufchen Elend, obwohl ich bisher nicht viel dazu gesagt hab. Nur ein gelegentliches „Hmpf“ brumm ich in den Hörer zurück.
Verzweifelt suche ich nach den Leviten, die ich ihm grad noch lesen wollte. Und der richtigen Marschmusik. Und wo ist eigentlich die Furie in mir?
Echt jetzt? Ich ich wollte doch grad noch … ! „Na, es tut mir so unglaublich leid! Wirklich, entschuldige! Wie kann ich das wieder gut machen? Du bist sicher voll grantig! Sicher würdest mir gern den Kopf abreißen!“, tönt es weiter zerknirscht aus dem Hörer. „Ja, den würd ich dir schon gern abreißen.“, geb ich zu. Und denk mir: Aber was tu ich dann mit seinem Kopf? Die Leute schauen sicher komisch, wenn ich mit Kopf unterm Arm herum renne. Außerdem schaut er halt sicher auch ein bisserl komisch aus, so ohne Kopf. Auch schlecht für´s Geschäft.
Gerade eben noch hatte ich ihn gedanklich gekündigt. Und wollt ihm die Leviten lesen und den Marsch blasen. Wie eine Furie wollt ich ihn beschimpfen. Jetzt, 3 Minuten später, ist der Grant verschwunden, die Furie in mir hat sich lachend verdünnisiert. Innerlich amüsier ich mich köstlich über sein schlechtes Gewissen. Trotzdem grummle ich noch ein bisschen grantig in den Hörer. Er darf ruhig glauben, dass ich noch sauer bin.
Fazit: Leviten lesen ist nicht so meins. Und auf die Furie in mir ist auch kein Verlass.
Foto: Unsplash, Joanna Nix-Walkup
© Melly Schaffenrath 2020-09-13