Zum Gedenken an Friederike Mayröcker gab es ein Hörspiel auf Ö1, das sie selbst gesprochen hat. Ich hab noch ihre unverwechselbare Stimme im Ohr, so eindrücklich und melodiös. Der Text hat mich tief berührt zurückgelassen, ganz banal würde ich sagen, ich fühle mich davon erschlagen. Was im literarischen Zusammenhang natürlich ganz fehl am Platz ist, ich bin aufgewühlt und zutiefst bereichert. Diese Sprache, diese Fantasie, diese Fülle.
Natürlich hab ich schon mal ein Gedicht von ihr gelesen, auch Sendungen mit ihrem Lebenspartner Ernst Jandl gehört, aber doch noch nie ein einstündiges Hörbuch von ihr. Was für eine Welt! Da merke ich meine fadenscheinige Bildung. “Geistersonate”, hab ich doch schon gehört…- Beethoven? Google nickt. Könnte aber auch ein Drama von Strindberg sein. Es geht mir ähnlich wie beim sonntäglichen Ö1-Quiz, manches weiß ich, bei vielem liegt es mir auf der Zunge und wenn ich dann draufkomme, gibt es das große Aha! Ich bin nicht gänzlich ungebildet, aber Mayröckers Text hat mich in einen Lebensraum geführt, der offenbar völlig von Kunst durchdrungen war. Ehrfurcht scheint mir angebracht, Hoch-Achtung davor, dass ihr Leben so reich an Kultur war.
Die Wesendonck-Lieder. Brahms in Linz, Clara Schumann als Pianistin fühlt sich gestört vom Knirschen der Straßenbahn. Dort in Linz treffen sie auch auf Adalbert Stifter mit seinem Schoßhündchen. Und Robert schreibt seiner Clara, dass die isländische Aschewolke nun auch Europa erreicht hat. Clara ist nämlich ein bisschen schwanger, und sie reden auch über Jean Genet wie sie da durch Wien ziehen.
Ich hätte ihnen begegnen können, der Mayröcker und den Schumanns zwischen Cafe Drechsler und Cafe Museum. In beiden Lokalen war ich relativ häufig und bin sicher einmal an dem Platz gesessen, wo Clara über ihr Ungeborenes nachdachte. Da wären sie mir wohl aufgefallen, die zwei kultivierten Damen. Ist doch unerheblich, dass wir in verschiedenen Epochen leben. Die Mayröcker schafft es locker, Zeit und Raum aufzuheben.
So ist Kunst. Immer noch bin ich in einem Sog gefangen, und dann setz ich mich daher und tippsle einen eigenen Text. Der vielleicht einige ansprechen wird, weil er Erinnerungen weckt. Ich schreibe um des Schreibens willen, ohne literarischen Anspruch, das überlasse ich Menschen wie der Mayröcker, die mich dann ganz leicht auf Zeitreisen mitnimmt.
Natürlich habe ich schon Fotos von ihr gesehen, vorhin hab ich ihre Wohnung gegoogelt. Sie wohnte nämlich in der Zentagasse, da lebten auch meine Grosseltern, da könnten wir einander auch begegnet sein. Und dann ging sie in ihre Wohnung, in der ich nach den Fotos nicht leben könnte, aber beeindruckend find ich sie doch: das Bücherchaos schlechthin, von den Wänden über Tische und Boden nichts als Bücher. Vielleicht wird man allein schon davon klug, sich mit Bücherbergen zu umgeben?
Friederike Mayröcker, ihr gilt heute meine tiefe Bewunderung. RIP….
© rebella-maria-biebel 2021-06-05