MCS Transvaal – alles auf Anfang

Josef_Raben

von Josef_Raben

Story

Am 13.12.1982 stiegen wir zehn Decksjungen und 4 Offiziersbewerber in Rotterdam auf der Transvaal ein. Das Wetter war regnerisch, der Empfang an Bord frostig. Unser bisheriges Ausbildungsschiff, der Mehrzweckfrachter Tabora, war ausgeflaggt worden und wir mussten von Bord. Das war zwar nicht unsere Schuld, aber die Stammbesatzung der Transvaal ließ uns bei jeder Gelegenheit spüren, dass wir nicht willkommen waren und den gewohnten Schiffsbetrieb störten.

Das Flaggschiff der Reederei Deutsche Afrika Linien fuhr zwischen Europa und Südafrika im planmäßigen Containerdienst. Zur damaligen Zeit gehörte die Transvaal zu den größten Containerschiffen der Welt. Mit 900 Stellplätzen für Kühlcontainer war sie nicht nur das größte deutsche Kühlschiff, sondern hatte auch andere technische Highlights zu bieten. Die beiden 8-Zylinder Diesel von MAN leisteten je 27.000 PS und befanden sich, wie der Aufbau, im hinteren Drittel des Schiffes. Die automatische Steuerung ließ immerhin nachts einen wachfreien Betrieb der Maschine zu. Die beiden Schrauben von je sechs Metern Durchmesser konnten das Schiff bis auf 24 Knoten bringen, wobei ein Verbrauch von 120 Tonnen Schweröl am Tag zu Buche schlug. Die Transvaal war mit 260 Metern Länge und 53.000 Bruttoregistertonnen das größte Schiff, das jemals am Afrika-Terminal in Hamburg festgemacht hatte; den Heimathafen Kiel hatte sie nur nach Fertigstellung bei HDW gesehen. Um das Schiff rankten sich noch einige Mythen; so zum Beispiel, dass wir regelmäßig so große Mengen an Gefahrgut transportierten, dass ein Feuer an Bord ganze Hafenstädte dem Erdboden gleichmachen würde.

In der ersten Zeit an Bord richteten wir mit vereinten Kräften unsere Lehrwerkstatt wieder ein. Die beiden Drehbänke waren die Lieblingsmaschinen unseres Ausbildungs-Schlossers und schon mit viel Aufwand wieder eingebaut worden. Zudem war gerade eine neue Ausbildungsrichtlinie in Kraft getreten. Wir würden nun die ersten sein, die ihren Abschluss als Schiffsmechaniker machten. Damit konnten wir sowohl an Deck, als auch in der Maschine eingesetzt werden.

Währenddessen kämpfte sich das Schiff gegen elf Windstärken die westafrikanische Küste hinunter nach Süden. Die Gewalt der anrollenden Seen ließ die Transvaal trotz ihrer Größe zum Spielball der Elemente werden. Wir waren mittlerweile seefest und auch die heftigsten Schiffsbewegungen machten uns nichts mehr aus. So beobachteten wir eher fasziniert, wie der Wulstbug mit seinen neun Metern Höhe bei jeder Welle komplett aus dem Wasser gehoben wurde und beim Eintauchen die Gischt weit über Deck spritzte.

Pünktlich zu Heiligabend beruhigte sich das Wetter und wir feierten mit der übrigen Besatzung unser erstes Weihnachtsfest auf See. Zu Akkordeonklängen sangen wir in der Offiziersmesse “Stille Nacht“, wobei auch die härtesten Matrosen schluchzend Tränen der Rührung vergossen.

Der Weihnachtsfrieden sollte indes nicht lange anhalten.

© Josef_Raben 2021-04-06

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