von Ferry Nielsen
Tango und Meditation haben mehr gemeinsam, als man denkt. Forscher, die die Gehirnaktivität von Tangotänzern messen, deuten darauf hin, dass Tango tanzen zu ähnlichen mentalen Zuständen führen könnte wie bei denen, die meditieren.
Folgen im Tango ist wie eine aktive Meditation – du musst jeden Moment hellwach sein. Du hinkst nicht hinterher, du eilst nicht voraus. Die Vergangenheit ist egal, die Zukunft ebenso. Es ist egal, wie lange du schon tanzt, wir sind jetzt hier – im Hier und Jetzt. Das ist es, was zählt. Und du entkommst deiner vorgegebenen, endlos ablaufenden, elenden Denkspirale.
Tangotänzer, die sich auf innere Konzentration und Aufmerksamkeit verlassen, ähneln Praktizierenden der Achtsamkeitsmeditation während der Meditation. Mit anderen Worten: Tangotänzer könnten – ähnlich wie erfahrene Meditierende in einen typischen Flow-Zustand eintreten, wie ihn Forscher bereits beschrieben haben. Du versuchst, im Körper eines anderen die subtilsten Verschiebungen von Energie und Gewicht, Timing und Winkeln zu spüren, und jede Bewegung wird geführt, aber die Reihenfolge davon wird improvisiert. Es geht um Tausendstelsekunden, in denen dein Partner fühlen sollte, was kommt. Erst dann ist der Idealzustand erreicht – und es fühlt sich an wie Zauberei. Einige meinen, dass der innere Fokus und die tiefe Konzentration auf den gegenwärtigen Moment, die Tango und Achtsamkeit erfordern, einer Kampfkunst ähneln. Tango und Kampfkunst beinhalten beide den Erwerb von Fähigkeiten wie Improvisation, mentale Herausforderungen und die genaue Beobachtung des Körpers einer anderen Person. Einer der wertvollsten Aspekte im Tango besteht darin, dass er einen engen, anhaltenden Kontakt in einer sicheren und strukturierten Umgebung ermöglicht. Die feste, aber auch flexible, sich ständig verändernde Umarmung fördert die soziale Interaktion und ein Gefühl von Sicherheit und Akzeptanz. Meditation, Tai Chi, Yoga und Tango Argentino haben vieles gemeinsam: Ruhe, Sammlung, Erdung. Buddha selbst meditierte in Bewegung. Tango ist Gehen, Hören, Reagieren aus den Tiefen des Seins. Tango ist Meditation. Für mich die tiefste Meditation. Noch intensiver als meine Gehmeditation. Tango erdet, stärkt, zentriert und verbindet. Die Musik, die Schritte-wenn du im Tango bist, denkst du nicht. Tango bedeutet, das Denken zum Stillstand zu bringen, eine Pause vom Denken einzulegen, kurz der tyrannischen Knechtschaft des Denkens zu entkommen. Oder bei der Milonga nur das Notwendigste denken. Behindere ich jemanden? Wohin führe ich die nächsten Schritte? Du bist präsent, wach und im Hier und Jetzt. Meistens versuchen wir beim Tanzen, die Schritte, die Figuren richtigzumachen – im richtigen Tango-Flow angekommen, ist das nicht mehr so wichtig. Allein den eigenen Körper von innen differenziert zu erspüren, um verschiedene Körperteile zu aktivieren und miteinander in Kontakt zu bringen, ist für viele schon eine große Herausforderung. In der Meditation: Tango.
© Ferry Nielsen 2025-02-06