Wir waren Ende 30, als meine damalige Freundin und ich spontan beschlossen, auch zu den Tätowierten gehören zu wollen. Einfach so. Ein gutes Studio war schnell gefunden, doch damit begannen erst die Fragen: Welches Motiv und beide das gleiche? Wohin damit? Wo tut’s am wenigsten weh?
Einig waren wir uns darin, was wir nicht wollten: kein Arschgeweih, nix Religiöses, nicht zu groß, nicht zu klein, nicht an Stellen, die man nicht bedecken könnte, keine chinesischen Zeichen, die womöglich das Gegenteil bedeuten, keine Namen und kein Bild des anderen. Gerade letzteres stellte sich als sehr weise heraus, denn das Schicksal hatte keine gemeinsame Zukunft für uns vorgesehen.
Ein paar Monate nach der Trennung griff ich das Thema wieder auf. Wahrscheinlich war es so ein „Jetzt-erst-recht-Ding“, das ich nun alleine durchziehen wollte. Das Motiv fand sich per Zufall. Beim Aufräumen meines Schreibtisches war mir ein Plastikteller untergekommen, auf dem ein Zentaur prangte, dieses Mischwesen aus der griechischen Mythologie, halb Pferd, halb Mensch. Er trug Pfeil und Bogen und symbolisierte das Sternbild Schütze, wohl ein vergessenes Geburtstagsgeschenk.
Na also: mein Sternzeichen. So pilgerte ich mit dem Teller ins besagte Peckerl-Studio. Der Künstler erkannte mich wieder und fragte, wie’s meiner Freundin geht. „Vermutlich gut“ antwortete ich und zeigte ihm den Teller. Er nickte verständnisvoll und meinte, dass Sternzeichen eher selten nachgefragt werden. Für mich erst recht ein Grund. Nach den üblichen Belehrungen über Risiken und Nebenwirkungen und dass einen das Kunstwerk das ganze restliche Leben begleiten wird, machte er ein Foto und versprach, sich um eine gute Vorlage zu kümmern.
Zwei Wochen später ging er ans Werk. Der Zentaur wurde am Oberarm platziert. Dort kann man ihn leicht verbergen oder zeigen, je nachdem. Es ist eine Stelle, wo das Stechen kaum wehtut. In zwei Stunden war die Prozedur vorüber, Vaseline drauf, Sonne meiden, ein paar Tage später Nachkontrolle und fertig.
Interessant waren die (Nicht)Reaktionen von Familie und Bekannten: „Oida, host a Midlife-Crises?“ (bester Freund); „Mei, so a liabs Pferdl“ (Stammtisch); „Aha, Du gehörst jetzt also auch zu den Gepeckten. Medizinisch betrachtet ist es eine Schürfwunde!“ (Hausarzt, als er bei einer Routineuntersuchung auf mein Kunstwerk stieß). Am erstaunlichsten meine Eltern, die völlig cool blieben und nicht einmal danach fragten, als es im Sommer nicht zu übersehen war. Beinahe rührend die Reaktion der Krankenschwester bei einer Zecken-Auffrischungsimpfung, als sie ihre Nadel genau in die Brust des Zentauren stach. „Hoffentlich ersteche ich das Pferdchen nicht“, meinte sie grinsend und ich antwortete, dass sich der Zentaur weniger vor der Spritze fürchtet als ich.
Ob ich es je bereut habe? Nein. Ich hatte aber auch nie mehr das Verlangen, mir noch ein zweites Peckerl zuzulegen….. Wobei, mein Aszendent ist Wassermann, das könnte doch…?
© Klaus P. Achleitner 2020-01-12