Mehr Theater in Wien

Maria Büchler

von Maria Büchler

Story

Eins der weltweit erfolgreichsten Stücke ist die Mausefalle von Agatha Christie. Da es mich nicht nach London zieht, will ich die Gelegenheit nutzen, den Theaterhit in den Wiener Kammerspielen zu sehen. Wie immer buche ich über Vienna Classic, bezahle mit Karte und hole die Tickets (damals noch) am Karlsplatz.

Mein Sitz befindet sich in der Mitte, deshalb gehe ich frühzeitig zu meinem Platz. Die Dame, die dort bereits sitzt, mache ich höflich darauf aufmerksam, dass das die Nummer meines Sessels sei. Sie ist noch einen Tick freundlicher und zeigt mir ihr Billett. Siehe da, auch ihres ist korrekt. Tag, Seite, Reihe, Nummer – alles stimmt. Zudem verfüge sie über ein Abo.

Da es noch früh ist, begebe ich mich zum Herrn Kartenabreißer und mache ihn auf den Missstand aufmerksam. Er geht beflissen nachschauen, lässt sich von der Dame überzeugen und weiß nicht weiter. Das sei seltsam. Ich solle mir doch im Vorverkauf einen anderen Platz geben lassen.

Er begleitet mich zum Büro und erklärt die Sachlage. Tja, da könne man nichts machen, heute Abend sei ausverkauft. – Nächste Woche? – Geht nicht, ich fahre übermorgen nach Hause. – Dann könne ich die Karte an jemanden verkaufen, der keine mehr ergattert habe. – Auf keinen Fall, ich will unbedingt das Stück sehen!

Tja, vielleicht komme jemand nicht, sodass ich den freien Platz – Na schön! Die zweite Dame am Schalter eskortiert mich zum Saaleingang. Der Kartenmann blickt verwundert. Inzwischen läutet es das dritte Mal, und die Handymahnung wird durchgegeben.

Einige Leute verfolgen unseren Disput. Ein genervter Mann aus der vorletzten Reihe erhebt sich, streckt mir seine Karte hin, „Ich mag eh nicht“, verlässt den Saal. Er hat hinter einer Säule gesessen. Um genug zu sehen, müsste ich den Kopf auf die Schulter meiner Sitznachbarin legen.

Es wird aber dennoch eine interessante Halbzeit, denn das Bühnenbild ist sehr speziell. Alles wirkt wie ein Schwarzweißfilm. Ist es das Licht, oder sind alle nicht nur grau gekleidet, sondern auch so geschminkt? Ein raffinierter Regieeinfall, der die Zeit der Grande Dame des Kriminalromans aufleben lässt.

In der Pause will ich hinaus. Der Türsteher kommt strahlend auf mich zu. Der Platz in Reihe drei, gleich neben meinem gebuchten, sei frei geblieben. Der Irrtum habe sich geklärt: Die Platznummer auf meinem Ticket sei ein Druckfehler gewesen. Bitte schön, gnä‘ Frau, nach der Pause bitte dort!

Draußen stelle ich mich an den Bäckereitisch des Mannes, der verwöhnt. Dort liegt meist ein Aschenbecher. Eine Dame stellt sich rauchend neben mich, beginnt einen Smalltalk. Ob ich Wienerin sei? Nein? Aha! Sie stamme aus der Stadt, in der ich seit fast 20 Jahren wohne.

Nach der Pause führt mich der Kartenmann am Arm nach vor zu meinem Platz. So komme ich doch noch in den Genuss einer guten Sicht. Die Abo-Dame empfängt mich lächelnd. Sie ist sich ihres abonnierten Platzes sicher gewesen, war aber zu jeder Zeit hilfsbereit, teilnahmsvoll und lieb. Eine echte Wienerin!

© Maria Büchler 2021-02-23