Mei Mutti – die wülde Henn!

Story

Ein Denkmal in Buchstaben

Geboren 1925 in Döbriach am Millstättersee, friedlich entschwunden 2018 in Graz. Jetzt denke ich immer öfter über die Gschichtln nach, die sie uns im Laufe ihres langen Lebens erzählt hat. Gott sei Dank hab ich sie manchmal regelrecht ausgefratschelt.

Das Foto zeigt sie mit ca. drei Jahren, latest fashion im Unterhemdl, Sekunden, nachdem sie sich eine weiße Masche vom Kopf gerissen hatte. So war sie ihr ganzes Leben. Nicht ganz angepasst. Wunderbar. Mit 15 erste Stelle in der Österreichisch-Amerikanischen Magnesit AG in Radenthein, heute ist es ein Weltkonzern und heißt RHI (feuerfeste Steine). Alle Männer arbeiteten dort, auch ihr „Vata“. Er war Schlosser, ein sehr braver, fleißiger und bescheidener Arbeiter. Mutti bekam nach einem Monat ihr erstes Lohnsackl, schaute hinein und meinte, da müsse ein Fehler vorliegen. Schnurstracks ging sie zum Direktor. Eine Sache – unheard of bis dahin!!!! Sie meldete den „Fehler“, aber der Herr Direktor meinte, es wäre schon alles korrekt. Darauf Mutti: Dann kündige ich, davon kann ich mir ja nicht einmal ein Essen kaufen! Und ging.

Zuhause setzte es Watsch‘n, viele, arge, der „Vata“ genierte sich „in Boden eini“ für seine freche Tochter. Die Mutter allerdings dürfte auch beeindruckt gewesen sein und fand bald eine passende Stelle, wo sich ihre „renitente“ aber offenbar sehr tüchtige und selbständige Edith, die schon bald mithalf, die Kredite ihrer Eltern nach dem Hausbau zu tilgen, entfalten konnte. Sie wurde Alleinherrscherin in einer Eisenhandlung. Der eine Chef schwul und nicht an Eisen interessiert, der andere schon, aber im Krieg.

Sie lernte Harmonika spielen, auf einer riesigen Hohner, wie sie stolz betonte. Doch dann kam ein neuer Lehrer und sie musste nur mehr Tonleitern üben. Daraufhin tauschte sie das Instrument gegen eine „Maschin“. Mit dem Papa am Buckl, der keinen Führerschein hatte, aber einen Leinenrucksack mit Rex-Gläsern drin, riss sie einmal eine „Brez’n“. Papa samt Rex-Gläsern ging zu Boden, aber nicht zu Bruch. Sehr peinlich. Wahrscheinlich war er auch davon a bissl traumatisiert.

Während des Krieges musste sie mit dem Fahrrad nach Spittal in die Arbeit fahren. 18km am See entlang. Einmal wurde ihr im Laufe des Tages ihr Radl gestohlen, worauf sie sich abends selbst eines „holte“ zum Heimfahren. Und erwischt wurde – 1 Woche im Häf’n, erzählte sie gern. Interessante Erfahrung! Was hätti denn tuan soll’n, i hab ja ham miassn zur Mami. Die war viele Jahre krank.

Eines Sonntag Nachmittags kam ein Verehrer mit einem „Roos“ nach Döbriach. Mutti saß mit „Mami“ im Garten. Er wollte ihr das Pferd schenken. Das Roos war entsprungen, einem Kosaken irgendwo im Lienzer Feld (eine weniger lustige Story). Aber er musste unverrichteter Dinge wieder zurück galoppieren nach Spittal. Mutti wollte partout kein Roos.

Ja, so war’s im Krieg. Nie wieder hat sie in so kurzer Zeit ein paar Schuhe durchgetanzt. Mit Papa – und mir – begann der Ernst des Lebens.

© 2019-07-13

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