Mein Abenteuer

Svenja Goldmann

von Svenja Goldmann

Story

In dieser Nacht tat ich kein Auge zu. Ich sah sie immer und immer wieder vor mir. Die prächtigen Flügel. Wie sie sich ausbreiteten und von solcher Größe waren, dass sie mich ohne Probleme hätten tragen können. Da war ich mir sicher.

Ich war bis zu diesem Moment überzeugt gewesen, dass ich mit meiner Vergangenheit abgeschlossen hatte. Ich hatte sie nicht vergessen, aber sie beeinflusste mich nicht mehr und ich hatte fälschlicherweise gedacht, dass mein Weg sich vollkommen von dieser losgelöst hatte. Doch nun war etwas in mir aufgeflammt, dass all meine Leidenschaft, die ich als Bardin verspürte, übertraf. Es war größer. Es war Freiheit. Ich erinnerte mich an das Gefühl, das ich als Kind hatte und ich wollte es zurück. Jetzt mehr als je zuvor.

Dies hatte ich mir früher schon gewünscht und nie hatte ich einen Weg gefunden, es in die Tat umzusetzen, doch in dieser Nacht war etwas anders. Ich war anders. Ich hatte mich verändert, war gewachsen und hatte vieles dazu gelernt. Plötzlich war mir klar, dass wenn ich mich nun aufmachte, um endlich eine Lösung zu finden, mir meine Flügel zurückzuholen, würde ich es irgendwie hinbekommen. Es gab so viele unglaubliche Geschichten auf dieser Welt. Unfassbare Dinge waren möglich, wenn man zur richtigen Zeit am richtigen Ort war und die richtigen Leute gefunden hatte, und genau das wollte ich nun tun.

Ähnlich wie Jahre zuvor, als ich mein Hab und Gut zusammen suchte, um mit Telon zum College des Schaffens zu gehen, war es in diesen Morgenstunden. Ich packte meinen Rucksack mit dem letzten Proviant, das ich noch hatte, band Dolch und Sichel an meinen Gürtel, das rote Halstuch um meinen Hals und die Kalimba packte ich in meine Gürteltasche. Etwas zum Schreiben, andere Klamotten und die letzten Silbermünzen.

Der Tag war noch nicht richtig angebrochen, aber Mazuk, der orkische Wirt, stand noch immer hinter dem Tresen der kleinen Taverne, in der ich am Abend gespielt hatte. Die letzten verbliebenen Seelen saßen in dunklen Ecken oder schliefen mit dem Kopf auf dem Tisch. Ich lag den Schlüssel meines Zimmers vor ihm ab, bedankte und verabschiedete mich: „Mach’s gut altes Haus.“ Er neigte seinen Kopf leicht, während er nicht davon abließ, das Glas in seiner Hand weiter zu polieren.

Ich schulterte meinen Rucksack, schnallte den Gürtel nochmals und atmete ein letztes Mal tief durch, bevor ich nach der schweren Tür griff. Ich war bereit, irgendwie einen Weg zu finden, meine Flügel wiederzubekommen, auch wenn ich noch nicht genau wusste wie. Mit Schwung zog ich die Tür auf und genau in dem Moment, als ich nach draußen trat, kletterte die Sonne über die weit entfernten Berge und warf ihre Sonnenstrahlen auf mein Gesicht. Ich wurde kurz geblendet und plötzlich war alles weiß.

Eine Stimme ertönte.

„Hört meine Worte, tapfere Helden.“

© Svenja Goldmann 2022-08-29

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