Mein Aspirin von der Wiese

Kristina Fenninger

von Kristina Fenninger

Story

Schon von Weitem kommt mir ein bekannter Duft entgegen. Ich schätze mich glücklich, dass das Mädesüß für mich nach Marzipan und nicht wie für viele andere Menschen nach Hansaplast-Pflaster riecht. Ich befinde mich gerade in einem Feuchtgebiet und dort wo es nass ist, fühlt es sich besonders wohl, mein geliebtes Mädesüß. Deshalb blüht es hier zur Häufe.

Eigentlich wäre der ideale Zeitpunkt um das Mädesüß zu ernten vormittags, dann wenn es zumindest den dritten Tag sonnig ist und bei voller Blüte. Doch weil ich dann wieder arbeiten muss, bin ich heute einfach froh, dass es zumindest den zweiten Tag trocken ist. Schließlich wird es nicht mehr ewig blühen.

Während mein Hund sich die Sonne auf den Pelz scheinen lässt, ernten meine Freundin und ich das Kraut. Super, ihrer Familie gehört die Wiese. So muss ich niemand extra um Erlaubnis fragen.

Der lateinische Name des Mädesüß heißt Filipendula ulmaria. In der Botanik verwendet man lateinische Namen, weil Latein “tot” ist und sich die Sprache deshalb nicht mehr verändert. So bleiben auch die Namen der Pflanzen immer gleich. Ich finde das spannend.

So ernte ich also liebevoll Blüte für Blüte. Und immer nur so viel, dass genug Blüten für die Bienen übrig bleiben. Dann gehe ich weiter und suche mir einen neuen Platz. Schon seit Wochen, wenn nicht gar Monaten, freue ich mich auf den Zeitpunkt, an dem ich das Mädesüß ernten und dann weiterverarbeiten kann. Schön, dass es jetzt endlich so weit ist. Beinahe konnte ich es gar nicht erwarten.

Daheim lege ich das Kraut auf ein Backblech und lasse es bis zum Abend antrocknen. Später gebe ich es in ein großes Schraubglas und bedecke es mit geschmacksneutralen Alkohol, der mindestens 38% Vol. hat. Ich verwende am liebsten Korn. Das Glas wird zugeschraubt und mein Mädesüß darf nun mindestens zwei Wochen im Alkohol ausziehen. Regelmäßig schüttle ich das Glas nun, damit ich die Inhaltsstoffe gut herausbekomme und auch damit meine Tinktur nicht zu schimmeln beginnt. Nach frühestens 14 Tagen dann, seihe ich die Tinktur ab und fülle sie in dunkle Tropffläschchen. Damit ich dann weiß, was drinnen ist, beschrifte ich die Fläschchen. Ich habe mir angewöhnt, mit den lateinischen Namen zu arbeiten, damit ich sie nicht vergesse.

Zwei Jahre ist die Tinktur jetzt haltbar, wobei sich die Inhaltsstoffe verändern. Ich mache immer so viel, dass ich ein Jahr auskomme. Denn im nächsten Jahr wird es eh wieder blühen. Dann kann ich mir eine frische Tinktur machen.

Was jetzt neben dem Geschmack so besonders am Mädesüß ist, wirst du dich jetzt vielleicht fragen! Das Kraut enthält natürliche Salicylsäure welche auch im Aspirin zu finden ist. So ist das Mädesüß, wenn man es nicht überdosiert, ein gutes Mittel bei Kopfschmerzen und Erkältung. Ich nehme maximal dreimal täglich 15 Tropfen ein.

Vielen meiner Freunde habe ich letztes Jahr Mädesüß-Tropfen geschenkt. Und die, die warten jetzt alle auf Nachschub, einfach, weil die Tinktur wie Aspirin wirkt, aber ganz natürlich ist.

© Kristina Fenninger 2022-07-08

Hashtags