Mein erster großer Sieg

Christine Hagelkrüys

von Christine Hagelkrüys

Story

Mit achtzehn durfte ich den B-Führerschein machen. Ich wollte aber auch unbedingt den A-Schein für Motorräder erwerben. Erstens, weil ich beweisen wollte, dass Mädchen das auch wollen und können. Zweitens, weil mein Bruder es auch durfte. Drittens, weil mein Papa eine rote Vespa 125 besaß und ich damit fahren wollte. Er hat mir versprochen, dass ich sie mir ausborgen darf, wenn ich den A-Schein in der Tasche habe. Vespa fahren war nicht schwer, das hatte ich schon öfter ausprobiert. Deshalb hatte ich keine Bedenken bezüglich meiner fahr-technischen Fähigkeiten.

In der Fahrschule, war ich das einzige Mädchen in der Motorradgruppe und auch sicher die einzige, die noch nie mit einem Moped gefahren ist. Das so ein Motorrad schwer ist, habe ich gewusst, aber was ist eine Fußschaltung? Mir wurde abwechselnd heiß und kalt und es machte sich ein mulmiges Gefühl in mir breit. Mein Speichelfluss nahm verdächtig zu, ich schluckte und schluckte.

Ruhig, du schaffst das, beiße die Zähne zusammen, lass dir nichts anmerken, redete ich mir gut zu.

Der Fahrlehrer schaute in die Runde und meinte: “Ihr seid sicher alle erfahrene Mopedfahrer. Motorradfahren ist nichts anderes, es hat halt nur ein paar Pferterln mehr unter der Haube.“

Ich sagte nichts!

Mulmiges Gefühl!

Erste vorsichtige Runden auf dem Parkplatz funktionierten halbwegs, Sicherheit oder gar Freude wollte sich nicht so recht einstellen

Während der ersten Ausfahrt schwitzte ich mein T-Shirt komplett durch. Gott sei Dank gab es noch keine Helmpflicht, sonst wäre dieser von Innen angelaufen.

Das Fahren in der Gruppe hinter dem Fahrlehrer, ich natürlich das Schlusslicht, war schon eine waschechte Mutprobe! Ich bemühte mich mit dem Tempo der anderen Schritt zu halten, was mir etwas holprig gelang. Auf die Balance in den Kurven achten, gleichzeitig auf die Fahrbahn und andere Verkehrsteilnehmer ein Auge zu haben, schalten und das Tempo beibehalten, für die meisten ein Kinderspiel, für mich fühlte es sich wie ein Hochseilakt an.

Die Krönung am Ende der Stunde war, die schwere Maschine auf den Ständer zu stellen. „Madl, des muasst a kenna“ feixte der Fahrlehrer. Und ICH KONNTE!

Es ging von Mal zu Mal besser, ich war zwar nicht tiefen-entspannt, aber doch weniger nervös. Slalom-fahren konnte ich sogar ausgezeichnet.

Ich bestand die Fahrprüfung und freute mich über meinen ersten großen Sieg als Frau in einer Männerwelt. Ich hatte mir wieder ein Stück Gleichberechtigung erkämpft.

Unbezahlbar für mein Selbstbewusstsein!

© Christine Hagelkrüys 2022-11-15

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