Mein erstes Mal

Tim Schreiber

von Tim Schreiber

Story

Erinnert ihr euch noch an euer erstes Mal? Die Aufregung? Die Vorfreude? Aber auch an die Zweifel, ob ihr es auch schaffen würdet? Ob ihr durchhalten würdet? Und an die Unsicherheit, ob es euch gefallen wird? An die Gerüche? Wo es war? Wie es euch gefallen hat?

Ich war 13, als ich mein erstes richtiges Buch las. In meiner Familie galt ich damit als „Spätzünder“, weil keiner von ihnen so spät damit angefangen hatte. An meiner Mutter hat es nicht gelegen. Sie hat nichts unversucht gelassen, um mich zum Lesen zu animieren. Zu jedem Geburtstag und Weihnachten war mindestens ein altersentsprechendes Buch unter den Geschenken. Doch ihre Impulse entfachten nicht das gewünschte Feuer. Ich versuchte es wirklich, doch gab ich immer schnell auf. Die Bücher, die ich bekam, langweilten mich. Ich empfand lesen als Qual und wurde immer frustrierter. Meine beiden älteren Geschwister waren richtige „Leseratten“ und kamen beide aus der Fantasy-Ecke. Ich war neidisch auf meinen Bruder, der mit Begeisterung Romane mit 1000 Seiten und mehr verschlang, während ich schon gefrustet war, wenn in einem Comic die Einleitung zu viel Text hatte. Eines Tages öffnete ich mich ihm und schilderte ihm meinen Frust. Da ich eh einen schweren Stand in der Familie hatte, ich war nicht das schwarze Schaf, eher so anthrazit, rechnete ich fest damit, dass er sich über mich lustig machen würde, was er nicht tat. Er sagte etwas, was ich nie vergessen werde: „Du hast nur noch nicht dein Genre gefunden.“ Mit diesen Worten gab er mir ein dickes Buch, knapp 400 Seiten. Der Titel schreckte mich zuerst ab. „Märchenmond“. Das klang für mich nicht spannend, sondern kitschig. Mein Bruder ermutigte mich, es wenigstens mal zu versuchen und so setzte ich mich in den Sommerferien, in Dänemark, hin und las mein erstes Buch. Noch heute bin ich, auch wenn ich dafür belächelt werde, Wolfgang und Heike Hohlbein dankbar für dieses Buch. Es hat mich zum Lesen und später auch zum Schreiben gebracht.

Ich habe mal gehört, wenn ein Buch oder eine Geschichte zu Ende ist, dann ist das immer auch ein Abschied. Schweren Herzens legt man das Buch zur Seite und muss sich damit abfinden, nicht mehr in der Geschichte zu sein. Dafür ist es umso schöner, wenn man nach einiger Zeit gute Bücher noch einmal liest. Es ist, als würde man alte Freunde wiedersehen. Ein tolles Gefühl. Probiert es aus. Wie war euer erstes Mal?

© Tim Schreiber 2024-11-29

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Emotional, Inspirierend, Reflektierend