Mein erstes Mal (Pirat sein)

Thomas Schichl

von Thomas Schichl

Story

Nördlingen liegt weit vom Meer entfernt, mitten in Deutschland im Ries Krater. Eine alte Reichsstadt mit viel Geschichte, historischen Gebäuden, eine kreisrunde begehbare Stadtmauer und dem Daniel der Kirchturm der St. Georg. Hier bin ich geboren und vereinnahmte die Stadt als meine persönliche Spielwiese.

Im Gerberviertel durchzog der Fluss, die Eder in einem künstlichen Kanal eingefasst die Stadt. Sie wand sich durch die engen Gassen. Trieb drei Mühlen an, versorgte die Viertel mit Wasser für die Gerbereien und andere Gewerke.

Wir spielten als Kinder viel am Wasser und verbrachten eine menge Zeit damit.

Meine Freunde und ich hatten eine Stelle nah der Stadtmauer, an dem eine betonierte Anlegestelle lag. Eine Idee war geboren. Wir bauen ein Floss und ziehen als Piraten unter der Stadtmauer hindurch und erkunden den Weg nach draußen. Jeder schleppte Materialien heran. Es wurde Holz angekarrt, Werkzeug und Nägel aus Papas Bestand entwendet. Plastikfässer und Styropor aus dem Haus, an den Sammelplatz gebracht. An Ort und Stelle alles zusammen geklopft und schwimmfähig gemacht. Es dauerte mehrere Tage, doch wir schafften das. Wir hissten eine Flagge mit Totenkopf an einen Mast. Verkleideten uns als Piraten und schipperten den Fluss unter der Mauer hindurch. Hier eröffnete sich eine Neue Welt. Zuerst der ausgetrocknete Stadtgraben, der die gesamte Stadt umgab. Hier wuchsen Apfel, Birn- und Zwetschgenbäume. Wir plünderten die saftigen Früchte und aßen uns daran Satt. Weiter ging es an Fremden Gärten vorbei. Auch hier ernteten wir Erdbeeren, ein Strauch Radieschen und ein paar Eier vom Bauernhof. Wir trieben unter Brücken hindurch, an Pferdegestüten in die Nähe der Kaiserwiese weiter bis hinunter zum Wehr, wo sich das Wasser staute, einen kleinen See bildete und gezielt abgelassen wurde. Am Ufer hatte ein Schäfer seinen Schlafwagen abgestellt, er schien schon lange verlassen, so nahmen wir ihn in Besitz. Wir machten ihn zu unserem Piratennest. Er war gut versteckt und wir konnten von hier aus unsere Raubzüge begehen. Wir badeten, machten Feuer, tranken Cola, die unsere Eltern eigentlich verboten hatten. Unsere Gruppe wurde immer größer, den jeder hatte irgendwann einen Freund oder Freundin mit gebracht. Jeden Tag schlichen wir zu unserem Piratenlager und genossen das Piratenleben.

Eines Tages, nach der Schule, trafen wir uns am Stadttor und gingen zu unserem Versteck. Von weitem sahen wir Rauch aufsteigen, es war nicht ungewöhnlich, den wer zuerst am Lager war, musste das Feuer entfachen. Doch diesmal war der Rauch hoch und sehr Schwarz. Wir rannten so schnell es ging und trauten unseren Augen nicht. Der Schäferwagen brannte lichterloh. Unser Proviant lag verstreut und unbrauchbar im Dreck. Jemand hatte sich hier Zerstörerisch ausgetobt. Bruchstückevon unserem Floss schwammen nur noch am Wehr, wo sie hin und her schaukelten.

Bild:Privat

© Thomas Schichl 2021-03-22

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