Mein Fahrrad mit Geschichte …und Prinzip

Mia Caron

von Mia Caron

Story

Mein Fahrrad hat 1994 280 DM beim Globus gekostet. Es ist grün/lilametallic lackiert und hat 7 Gänge.

Oft bin ich nicht damit gefahren, es wurde eingemottet, aber ich hänge dran, da es mich schon so lange begleitet. Eines Tages lieh ich es meiner Nachbarin, deren Fahrrad einen Platten hatte. Als sie abends nach Hause kam, klingelte sie mit großen blauen Augen und mir wurde mulmig. „Nein!“, war alles, was ich sagen konnte.

„Es tut mir so leid, ich hab es am Bahnhof abgestellt und weil es so alt ist, hab ich gedacht, es klaut schon keiner.“

Nun. Nach dem Erlebnis mit ihrem Sohn und meinem Laptop war ich nicht gewillt, mich noch einmal zum Opfer machen zu lassen. Sita schrieb mir eine SMS, dass man das Fahrrad wohl an der S-Bahnlinie hat liegen sehen. Hm … wohin führte der Weg, der neben der S-Bahn verläuft? Kurzerhand schnappte ich mein Hündchen und fuhr am Tennisclub entlang zu den Wohncontainern 2km ortsauswärts. Die stehen da schon seit Jahrzehnten und dort wohnen EU-Bürger. Die einspurige Straße ist eine Sackgasse und mir wurde schon etwas mulmig, denn wer da wirklich wohnt und wie viele, wusste ich nicht. Egal, dachte ich. Den Mutigen gehört die Welt!

Ich parkte mitten auf der Straße vor dem ersten Wohncontainer und sah rechts hinter einem hohen Zaun etwa ein Dutzend Fahrräder kreuz und quer liegen. Ich erkannte es sofort, es lehnte an einer Wand. Demonstrativ öffnete ich den Kofferraum, machte mich daran, die Sitze umzuklappen und betete, dass das Fahrrad irgendwie hineinpasste. Währenddessen schlug mir das Herz bis zum Hals. Ein erster Mann trat vor die Tür, ein weiterer kam aus einem anderen Haus, ein Kopf lehnte sich aus dem Fenster… Ein älterer Mann kam auf mich zu: „Brauchst du Hilfe?“ – „Ja,“sagte ich. „Dort ist mein Fahrrad und das werde ich jetzt wieder mitnehmen.“

„Welches?“, fragte er hilfsbereit. Zwei weitere Männer kamen hinzu.

„Dort, das da an der Wand.“

„Nicht lieber hier Rennrad? Is neu!“

„Nein.“

„Oder hier? Mountainbike! Auch neu.“

„Nein, ich will MEIN Fahrrad zurück. Es ist über 20 Jahre alt und ich hänge daran! Ich will MEIN Fahrrad, wir haben eine gemeinsame Geschichte!“ Ich lächelte und sie lächelten zurück. „Süßer Hund“, meinte einer der anderen und machte sich an die Arbeit, mein Fahrrad zum Auto zu tragen. Mein Herz weinte, die Schläuche waren aus den Reifen gerissen, die Bremsen hingen herunter. Aber egal, ich wollte mein Fahrrad und sie sollten sehen, dass ich keine Angst hatte. Es ging ums Prinzip! Die freundlichen Männer luden es ein und achteten darauf, mein Auto nicht zu beschädigen. Gott sei dank – es passte! „Wenn du noch mal Fahrrad brauchst, kommst du wieder.“

Ich bedankte mich mit herzlichem Lächeln und war froh, dass nur die Männer Zuhause waren. Mit deren Frauen wäre es nicht so glimpflich ausgegangen.

Die Reparatur hat 90 Euro gekostet, aber jetzt fährt es wieder.

© Mia Caron 2019-07-10

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