Mein Gegenstück

Ist es nun wirklich passiert? Nach all den schwierigen Zeiten und Enttäuschungen – von Männern und vom Leben? Habe ich tatsächlich mein Gegenstück gefunden oder ist alles nur ein Traum und ich könnte jederzeit aufwachen?

Er und ich lernten uns – mal wieder – online kennen. Von Anfang an schrieben wir uns fast rund um die Uhr (außer wenn wir schliefen) und es war schon recht vertraut, als würden wir uns schon ewig kennen. Wir hatten einiges gemeinsam und oft schrieb er Sachen, die ich mir in dem Moment auch grad dachte. Die ersten beiden Treffen waren noch sehr zurückhaltend. Wir waren beide etwas nervös und schüchtern, außer das obligatorische Bussi links-Bussi rechts gab es keinerlei Berührungen. Aber wir hatten uns viel zu erzählen, es entstanden nie peinliche Gesprächspausen. Aber nach dem ersten Treffen dachte ich mir ehrlich gesagt nicht „Wow der ist es“, sondern eher „der ist aber sympathisch und nett“. Auch beim zweiten Treffen keinerlei Körperkontakt (obwohl ich es mir da schon gewünscht hätte). Wir waren was trinken in einer Cocktail-Bar mit gemütlichen Couches und er saß mir gegenüber und für mich gefühlte Kilometer weit weg. Wieder gute Gespräche, aber ich wusste danach nicht, ob er mich auch als Frau interessante findet oder einfach nur so als Kumpel zum Plaudern mag. Nach dem Treffen schrieben wir aber ganz offen darüber, auch was wir über uns dachten, und dabei kam raus, dass er mich beim Abschied auch gerne umarmt hätte und das Gefühl hatte beim Date wir sitzen viel zu weit weg. Aber dass er sich nicht getraut hatte, sich mir zu nähern. Also mal wieder hatten wir dasselbe gedacht und gefühlt …

Beim dritten Date gingen wir dann ins Kino. Da geschah es dann, wie man es auch aus Filmen kennt: Wir griffen gleichzeitig in die Popcorn-Tüte. Aber als er es bemerkte zuckte er mit der Hand zurück und ließ mir den Vortritt. Ich zog ihn damit auf, da meinte er: „Nein stimmt doch gar nicht, ich zucke nicht vor dir zurück“, und ergriff meine Hand. Ab diesem Zeitpunkt hielten wir fast durchgängig Händchen, kurz darauf schauten wir uns gleichzeitig an und es kam zum ersten Bussi und kurz darauf den ersten Kuss. Das Eis war gebrochen und ab dem Zeitpunkt verhielten wir uns bei den Treffen wie ein verliebtes Teenie-Pärchen. Es war einfach nur schön, die Schmetterlinge flogen.

Nun wollen wir uns das erste Mal an Silvester bei mir Zuhause treffen, das erste Mal ungestört und allein. Wie wird sich das wohl anfühlen? Was wird passieren? Seit Tagen lastet eine große Bürde auf mir, hab ich es doch bis jetzt nicht geschafft, ihm von meiner früheren Erkrankung und dem bösen „K“ zu erzählen und dass an mir wie bei Angelina Jolie leider nicht mehr alles echt ist. Irgendwie hab ich Angst vor seiner Reaktion. Wird es für ihn keine Rolle spielen oder wird er mich danach nicht mehr wollen? Selbstzweifel plagen mich, in der Nacht wälze ich mich unruhig hin und her. Werde ich es ihm an Silvester sagen? Ist er wirklich mein Gegenstück oder ist es dann vorbei?