von Petra Stoppacher
Voll verliebt und Verkörperung des Chaos. Das war ich mit 20. Somit wollte manch intelligenter Freund mir nur zu gerne bei meinen hochgerĂŒhmten Abenteuern Gesellschaft leisten. Schön… mir reichte einer, und das war er. Ich hatte einen festen Plan, nĂ€mlich seine Vertraute und Gespielin zu werden und interessant fĂŒr ihn zu sein.
Er hatte Interesse, nĂ€mlich echtes, ehrliches Interesse, auch erst lernen mĂŒssen; es ist viel leichter, dieses zu heucheln, als es sich – als auf Gegenseitigkeit basierende Praxis – anzulernen. Doch Intuition fĂŒhrte ihn zu den Experten dieser Praxis; sie beherrschten diese Kunst, wurden seine Lehrmeister und schafften es nach und nach, auch sein Herz zu erweichen, worauf er selbst begann, es ihnen gleichzutun und eine prophetengleiche Laufbahn aufnahm.
Eine runde Sache fĂŒr ihn… er, dessen Ecken und Kanten mir mehr zugesagt hatten, als es seine Friedliebigkeit tat. Vorerst fand ich diese natĂŒrlich super. Das Lachen perlte von mir ab und um mich herrschte Harmonie, wann immer ich seine Gegenwart spĂŒrte. Er war der, um den sich bei mir alles drehte. Mein Mittelpunkt. Nicht selten fĂŒhlte ich mich jedoch durch ihn in meinen – anderen – moralischen Grundpfeilern erschĂŒttert. Da tauchte plötzlich Reue auf: Wie viel Liebe hat meine Familie ĂŒber die Jahre ineinander investiert, aber vielleicht zu wenig davon auch nach auĂen getragen?! War ich unfair?
Es gab diese Basis, dass wir einander in diesem Licht sahen, das Verborgenes ausleuchtet… aber dies auf eine vorsichtige, einfĂŒhlsame Art und Weise tut. In seinen Armen war ich plötzlich ich, oder besser gesagt, wer ich glaubte zu sein. Bis ich bemerkte, dass ich fĂŒr ihn noch immer nichts weiter als ein Trostpflaster war, hatte es daher lange gedauert; man war schon ungeduldig mit mir geworden.
Heute noch sehe ich ihn mit Worten mein LĂ€cheln erwidern. „Ich bin es, deine ehemals Vertraute und Gespielin. Uns beiden wird wiederum bewusst, wie keck und wie katzenhaft eitel wir sein konnten im Angesicht des anderen, und wie furchtbar zahm wir ohne des anderen Begleitung geworden sind, ĂŒber die Jahre.“ Man kann hiervon durchaus als von einer emotional aufgeladenen Situation sprechen, die ich mir ausmale. Aber vielleicht kĂ€me es auch ganz anderes? Ein weiteres Szenario kann ich mir vorstellen:
Er taucht auf einmal wieder in meinen TrÀumen auf und ein paar Wochen darauf halte ich es nicht mehr aus und muss ihn anrufen und es treibt mich sogar an seinen Aufenthaltsort.
Ich entlocke ihm ein paar Silben, aber bereue zugleich wieder, ihn dazu gebracht zu haben. Mit jedem Wort tritt mehr Alkohol aus seinem Mund; Duft oder Gestank â alles ist relativ. Manchmal macht der Alkohol auf eine plumpe Art liebestrunken, manchmal aber scheint mir sein ĂŒbermĂ€Ăiger Konsum auch schlicht wie ein Ausdruck von Gier. Ich erkenne ihn hinter dieser Bier-Maske kaum wieder. Ich will wieder seine unverdĂŒnnte NĂ€he atmen, doch es ist mir hier nicht vergönnt.
Das könnte auch passieren.
© Petra Stoppacher 2019-08-24