von Michael Stary
Wellengeplätschere wird nie zuviel. Gerade als ich den Titel dieser Geschichte schreibe, fliegt ein Propellerflugzeug über das Meer von Cres. Meine Innenwelt ist so aktiv, dass ich das Geräusch erst bemerke, als der Flieger schon fast wieder aus dem Blickfeld ist. Szenenwechsel: Kreta Südseite. Kampfjets über der libyschen See ziehen ihre Kreise, brechen Schallgeschwindigkeit unter der heißen Septembersonne mit einem lauten Knall. Ich erinnere mich an meinen unbändigen Wunsch zu fliegen. Wie viele Träume ich hatte, wo ich einfach so in der Luft lag, die Schwerkraft ausgeschaltet, schwebend, das pure Glück dieser Tatsache in mir, dass ich es wirklich kann. In meinen Träumen versteht sich.
Der irdische Michael wollte Astronaut werden. Das war so surreal in der siebenstöckigen Betonsiedlung in Klagenfurt, dass es als Kinderfaxe abgetan wurde. Wenn ich heute höre, dass sich ca. 23.000 Menschen für einen Flug ins All der ESA angemeldet haben, dann wäre ich gerne der Auserwählte.
Jedenfalls fiel mir unter den donnernden Geräuschen am Strand von Kali Limenes wieder ein, wie sehr ich dem Flugerlebnis noch anhänge. Als Kind reichte es dann zumindest zu verschiedenen Flugshows mit meinem Vater, wir fuhren da bis nach Italien, um die Kunststücke der Red Arrows (UK), der Frecce Tricolori (IT) und des F15 Harrier, dem irren Senkrechtstarter, zu bestaunen. Ich zeichnete alle Sorten von Jets und Oldies, wie die Tante Ju 52 und war fasziniert von der Materie. Doch nicht so wie Tom Cruise in Top Gun schaffte ich es ins Cockpit. Platz nahm ich als staunender Besucher sehr wohl, aber die Luke blieb offen und die Triebwerke aus.
Später bei der Tauglichkeitsprüfung für das Bundesheer stellte ich mich aus Gründen der Ablehnung des Systems derart inkompetent an, dass die Fliegerreife ausgeschlossen wurde, obwohl ich eigentlich vorhatte Pilot zu werden. Doch die entschwindende Führung aus dem Elternhaus verrückte meinen Traum vom Fliegen ebenso, ich resignierte und konnte ihn nicht mehr spüren. Ich spürte mich generell nicht mehr gut in der Zeit. Ohne das gefühlte und begleitete Herzensziel im Blick zu haben folgten spontane Entscheidungen aus dem Zustand der Hoffnungslosigkeit und Angst heraus, die eigenartig chaotische Ergebnisse hervorbrachten.
Das Schlimmste im Nachhinein für mich ist, dass ich mich selbst dabei beobachtete, wie ich mir alles an Zukunftswünschen und Visionen ausredete, dabei von der Familie zum Teil noch bestätigt wurde und mich dann co-abhängig der Sucht hingab, was die Suche nach Halt im Leben immer nur noch verstärkte und kaum erträglich machte. Da ging schon mit zarten 15 Jahren öfters eine Flasche Wein, um diesem Druck standzuhalten.
Unter Gleichgesinnten war ich zumindest anerkannt und in der Gemeinschaft aufgehoben. In weiterer Folge sah ich statt den Lichtern im Cockpit und den Wolken unter mir nun bunte, chemische Glücksgefühle und schwebte weit außerhalb des wahren Kindheitstraumes.
© Michael Stary 2021-10-22