Mein kleiner roter Ferrari

Heidi Reiter

von Heidi Reiter

Story

Jedes Jahr im Frühjahr, wenn ich meinen Boliden aus der Garage hole, um mit ihm ein paar obligate Runden zu drehen, bin ich mit demselben Problem konfrontiert – ich will ihn starten, aber er will einfach noch nicht die Saison einläuten. Ich weiß ja, dass ich ihn immer ein bisschen rudimentär behandle, wenn ich ihn im Herbst auf den wohlverdienten Winterschlaf vorbereite. Wobei, eigentlich stelle ich ihn einfach nur in die Garage, ohne viel zu machen, aber ich denke mir dann immer, was soll schon sein, er wird schon wieder anspringen, wenn ich ihn brauche. Vor 2 Jahren hatte ich ihn mal im Service und was mir da der Techniker gesagt hatte, verursachte bei mir schon fast Ohrenrauschen, denn Öl nachschauen und füllen, wo bitte hat er überhaupt sein Öl eingefüllt, darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Die Kerze putzen, die finde ich schon mal gar nicht, noch dazu braucht man einen extra Schlüssel, dass weiß ich nämlich noch von meiner Vespa, die ich als junges Mädel hatte und die dauernd Faxen machte und es mehr oder weniger an der Tagesordnung war, dass jedes Mal, wenn ich sie abstellte, ich beim nächsten Starten die Kerze putzen musste. Das war schon fast so wie ein Ritual zwischen uns beiden. Aber jetzt geht es ja nicht um meine Vespa, die ich vor gefühlten 50 Jahren mal hatte, sondern um meinen Rasenmäher, der mich jedes Jahr wieder aufs Neue in den nackten Wahnsinn treibt. Den Sprit hätte ich ablassen sollen über den Winter, diesen Ratschlag hatte ich auch noch bekommen von meinem Service – Techniker, aber wie macht man das überhaupt und Rasenmähen soll ja zu keiner Doktorarbeit ausarten, das ist mir dann echt schon zu aufwändig. Ich schüttle also alle meine Tricks aus dem Ärmel und plötzlich höre ich seinen sonoren Ton. Ich fange mit meiner Runde an, aber seine Geräusche werden immer eigentümlicher, stotternd und unruhig und ich bin mir sicher, jetzt wird er gleich den Geist aufgeben und tatsächlich auf den letzten Metern, gibt er keinen Ton mehr von sich und lässt sich auch nicht mehr umstimmen. Super, ein paar Quadratmeter wären es noch gewesen, aber nicht mal die hat er mir noch gegönnt. Ich rufe frustriert meinen Bruder an, ob er eventuell einen Tipp parat hat, aber er sagt nur, dann lassen wir halt mal eine Blumenwiese, die ist ohnehin besser für die Bienen. Aber da ich ja irgendwie schon seine Lieblingsschwester bin, er hat ja auch nur eine, überrascht er mich am nächsten Tag mit einem elektrischen Rasenmäher, den er mir besorgt hat und sagt, den wirst du wohl nicht schrotten, denn hier musst du einfach nur schauen, dass die Akkus immer geladen sind. Es ist ein kleines, handliches Gerät in Ferrari Rot und ich frage mich, wie dieser kleine Rasenmäher das hohe Gras bewältigen soll, aber er schafft alles mit Bravour. Ich bin entzückt von diesem kleinen Kerl, wo nimmt er nur seine Power her. Am Ende unserer Ausfahrt bin ich mit der Ladestation etwas überfordert, denn es hakt ordentlich, bis ich die Akkus endlich in der Station eingecheckt habe. Am nächsten Tag will ich sie wieder in meinen Ferrari einbauen, nur ich weiß nicht wie, ich probiere alle Seiten des Akkus aus, aber sie wollen einfach nicht in der Führung einschnappen. Knapp vor der Eskalation fällt mir die Gebrauchsanweisung ein, die ich wieder mal nicht vorher gecheckt hatte, das mag ich nämlich gar nicht, aber dass ich die Akkus aufgestellt einbauen muss, darauf wäre ich nie gekommen. Aber eines ist sicher, beim nächsten Gerät checke ich vorher die Gebrauchsanleitung. Eure Cleo!

© Heidi Reiter 2025-05-25

Genres
Humor& Satire
Stimmung
Abenteuerlich, Herausfordernd, Emotional, Komisch, Challenging
Hashtags