Ich habe meinen Körper nicht, um schön für dich zu sein oder dich glücklich zu machen. Er muss dir nicht gefallen, denn dein Ideal von Schönheit ist vielleicht ein anderes. Mein Körper ist auch nicht dafür da, die Trends der Modeindustrie mitzumachen. Nur ich muss mich mit ihm wohlfühlen. Mein Körper gehört nämlich ganz alleine mir, wie es schon in einem Kinderlied heißt. Nur vergessen wir das immer wieder.
Von Beginn an, und bis zum letzten Atemzug, begleitet uns unser Körper. Niemand ist so lange an unserer Seite wie er. Es gibt nichts Perfekteres als ein Baby. Da sind wir uns noch alle einig. Aber bald darauf geht es los, dass Kinder selbst über die Farbe der Kleidung definiert werden und alles an ihnen bewertet wird. Zeitgerecht in der Entwicklung? Geschlechtskonform? Entspricht alles an dem Kind den Normen, die uns, von wem auch immer, auferlegt wurden? Und schon im Kleinkindalter merkt das Kind, womit es gefällt oder nicht. Ab dieser Zeit ist dies täglich Programm und nimmt nicht selten krankmachende Formen an. Mich haben meine Brüder ständig wegen meiner abstehenden Ohren gehänselt. Erst Jahrzehnte später, wurde mir bewusst, dass meine Ohren völlig normal sind. Ich fand mich auch zu schlank, dachte ich hätte zu wenig Busen und ich wäre nicht schön. Die Beziehung zu meinem Körper war lange Zeit nur über andere Menschen definiert. Die Anerkennung von außen legt oft erst fest, ob wir uns selbst auch akzeptieren. Das ist einfach nur absurd! Als mir dies in seiner ganzen Dimension bewusst wurde, habe ich angefangen, meine Bilder über meinen Körper zu hinterfragen.
Ich habe viel über Körperwahrnehmung gelesen und mir vor allem Frauen als Vorbild gesucht, die ein für mich natürliches Körper- und Frauenbild vermitteln. So habe ich gelernt, meinen Körper als ein Geschenk an mich anzunehmen. Wir beide arbeiten zusammen. Er hält mich gesund und eröffnet mir damit viele Möglichkeiten, das Leben in seiner ganzen Fülle zu genießen. Damit dies so bleibt, gebe ich ihm alles, was er dafür braucht. Ich mache Sport, ernähre mich gesund und halte mich viel in der Natur auf. Meine Zuneigung, liebevolle Berührungen von mir, sowie wertschätzende Gedanken machen ihn weich und lassen ihn strahlen. Denn er hat Ohren und Antennen, die es mitbekommen, wenn wir vor dem Spiegel abfällig über ihn denken. Das hat Auswirkungen auf unser gesamtes System, mit all seinen Folgen. Seit ein paar Jahren sind es bei mir, wie bei vielen Frauen, um die Hüfte ein paar Kilo mehr. Auch ich habe Zeit gebraucht, sie anzunehmen. Heute liebe ich meine weiche Mitte, die auch neues Leben in die Welt gebracht hat. Sie ist der Raum meiner Sexualität und meine Weiblichkeit, mit ihrer Kraft, hat dort ihr Zentrum. Aus diesem Energiezentrum verschenke ich mich jeden Tag neu und achte gut darauf, dass ich mich damit wohlfühle.
Denn mein Körper ist der Tempel meines Wesens und Ausdruck meiner Liebe zu mir und zum Leben.
© Gerhild Brandhuber 2021-07-08