Wenn ich tagsüber anfange, in Reimen zu denken, dann weiß ich, dass ich ein Gedicht schreiben muss. Ich schreibe sehr selten Gedichte, aber wenn die Zeit für eines reif ist, kündigt es sich an, indem sich meine Gedanken einem Versmaß bedienen.
Daher lag es nicht an der Vorlesung oder gar dem Professor, dass es mir schwerfiel, zuzuhören. Vielleicht lag es aber auch am fünften Referat, das ich dieses Semester zu hören bekam. Ich nahm den Kugelschreiber in die Hand und begann die ersten Zeilen eines Weihnachtsgedichts zu Papier zu bringen.
22 Strophen in einem simplen Reimschema, das ich aber in insgesamt drei Strophen einmal ändere. Ich könnte diesen Schritt damit begründen, dass ich gerne mal was einwerfe, was aus der Reihe tanzt, aber die bessere Rechtfertigung ist jene, dass die einzige Lösung für einen Reim darin liegt, das deutsche Vokabular in seiner grammatikalischen Richtigkeit in ein anderes Schema zu setzen.
Da sich in diesem Herbst 2015 die Meldungen über die Flüchtlingswelle geradezu überschlugen, ging mir einiges durch den Kopf. Oder um mich selbst zu zitieren: “Man denkt viel nach und reflektiert, / was grad auf unsrer Welt passiert. / Man fragt sich, weil man nicht versteht, / worum es eigentlich hier geht?”
Es verblüfft mich, wie sehr diese Zeilen fünf Jahre später immer noch Gültigkeit haben, vielleicht sogar mehr denn je. “Geht’s um Glaube, Liebe, Religion? / Um Hoffnung, Friede, Tradition?”
Für viele wird Weihnachten 2020 anders sein, auf welche Weise auch immer. Vielleicht wird es an Geschenken mangeln oder an Dekoration. Viele werden aber auch ihre eigene Familie oder Freunde nicht sehen können.
So schnell kann es gehen, dass eine Welt Kopf steht. Dass jene Tradition, die seit Jahrhunderten gefeiert wird, plötzlich nicht mehr nach ihren ungeschriebenen Gesetzen funktionieren kann. Um so wichtiger die Frage, die sich jeder nun stellen darf: Worum geht es hier für mich? Ich rede nicht nur von Weihnachten. Wie ich in der einleitenden Strophe bereits feststelle: “Ein Jahr hat viele Tage. / So stellt sich doch die Frage, / warum es nur so wenige sind, / an denen man sich dann besinnt.” Ich denke, das Jahr 2020 gab vielen die Chance, einmal zu reflektieren. Mich eingeschlossen.
Einmal las ich das Gedicht zu Weihnachten vor. Die Jahre darauf versuchte ich es erneut, aber ich unterließ es, wenn dann nebenbei die Frage kam: „Hast nicht was Weihnachtlicheres?“
Es handelt eben nicht von Engelein Chören und weißen Schneeflöckchen, sondern hinterfragt so manches vorweihnachtliche Verhalten. Ich bin damals schon auf eine Antwort auf meine eben erwähnte Frage gekommen, und vertrete sie noch immer. Daher schließe ich diesen Gedankenfluss nun mit denselben Worten meines Gedichts: „Weihnachten heißt Nächstenliebe, / heißt Freude, Wärme, Glück und Friede. / Es heißt, all seinen Lieben zu zeigen, / dass es schön ist, auf der Erde zu verweilen.“
Frohe Weihnachten!
© Viktoria T. Meindl 2020-12-17