Im Besonderen ist zu bemerken, ich war ein unerwĂŒnschtes Kind, denn meinetwegen musste geheiratet werden. Mein Vater gerade mal 20 Jahre alt und meine Mutter 17. Ich höre heute noch die Worte meines Vaters: âMein ganzes Leben war verhaut, weil du unterwegs warst, ich konnte Mutti doch nicht im Stich lassen!“ Ehrlich gesagt, machten mich diese verletzenden Worte sehr traurig und bis heute kann ich nicht nachvollziehen, dass man die Schuld auf ein Kind schiebt und nicht zu den âVerwirrungenâ in der Jugendzeit steht.
Von Anfang an lief die Ehe meiner Eltern mehr schlecht als recht und es stand fĂŒr meinen Vater immer fest, ich allein hatte sein Leben durcheinandergebracht. Meine Mutter, eine schwarzhaarige zierliche Person, die man als TagtrĂ€umerin bezeichnen konnte, mein Vater, ein attraktiver groĂer blondhaariger Mann mit StarallĂŒren und einem ausgeprĂ€gten Hang zum Macho passten so ĂŒberhaupt nicht zusammen. Zwei vollkommen verschiedene Welten, die da aufeinander prallten.
Gedankensplitter tauchen auf und ich sehe eine schwarzhaarige Puppe vor mir, die ich ĂŒber alles liebte. Ich kann mich gut erinnern, wie ich ihr echtes Haar frisierte und ihr manchmal einen oder zwei Zöpfe geflochten habe. Sie begleitete mich tĂ€glich in den Kindergarten und wurde meine beste Freundin. Ich feierte mit ihr Geburtstag und auch sie bekam ein kleinesTortenstĂŒck, das dann Mutti schnell aĂ. Besonders aber liebte ich es, sie immer wieder anzuziehen, denn obwohl wir damals nicht viel Geld besaĂen und meine Eltern hart arbeiten mussten, strickte und nĂ€hte meine Mutter wunderschöne Kleider fĂŒr Frieda. Diesen Namen hatte ich meiner Puppe gegeben, denn es war der Kurzname von meiner Mutter, die Gottfrieda hieĂ.
Ich erinnere mich an das erste Fahrrad, das ich mit acht Jahren geschenkt bekam, mein Vater hatte es aus alten Teilen zusammengeschweiĂt und ich fĂŒhlte mich mehr als erwachsen, denn in unserer Siedlung konnte ich fahren, weil keine Polizei zugegen war. Mein rosafarbenes Firmkleid mit Spitzen, die Mutti unermĂŒdlich aneinandergenĂ€ht hatte, der Maturaball und immer wieder die KĂ€mpfe mit meinem Vater, der nie wollte, dass ich eine Matura ablegte und schon gar kein Studium beginnen sollte. Ich musste mir meine Ausbildung mehr als hart erkĂ€mpfen und erarbeiten.
Meine Mutter unterstĂŒtzte mich halbherzig bei meinen TrĂ€umen, aber immer stand das Arbeiten an erster Stelle. So musste ich im Garten Steine klauben, kochen, das ganze Haus putzen, meine Kindheit verlief meistens ohne Spiele, denn ich musste mein Tagespensum nach der Schule oder nach den Vorlesungen erfĂŒllen. Das war eine harte Zeit, denn in der Nacht bĂŒffelte ich fĂŒr meine Seminare an der Uni.
Die Worte: âEin MĂ€dchen braucht nicht zu studieren, die heiratet sowieso und dann ist alles umsonst gewesen“, höre ich noch immer. Heute weiĂ ich, dass nichts umsonst gewesen ist, denn mein Traumberuf als Deutschprofessorin zu unterrichten, erfĂŒllte sich und macht mich stolz!
© Christine BĂŒttner 2021-06-17